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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden
Autoren: Mario Vargas Llosa
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glücklicher als Sie und ich, mein Herr Korporal«, sagte Dionisio lachend und wurdewieder zu einem Bär. »Sie leben, um zu fressen, zu schlafen und es miteinander zu treiben. Sie denken nicht, sie haben keine Sorgen. Im Gegensatz zu uns, und wir sind unglücklich. Der da ist jetzt bei seinem Tier, sehen Sie nur, wie glücklich er ist.«
    Der Korporal näherte sich dem Wirt etwas mehr und faßte ihn am Arm.
    »Was waren das für furchtbare Sachen?« sagte er, jede Silbe betonend. »Die Sie gemacht haben, damit nichts passierte, damit all das nicht geschehen sollte, was geschehen ist. Was waren das für Sachen?«
    »Fragen Sie ihn, mein Herr Korporal«, antwortete Dionisio, während er ein paar betont ungeschickte, langsame Bewegungen ausführte, als folgte er den Befehlen eines Dompteurs. »Wenn Sie glauben, was ein Betrunkener sagt, dann lassen Sie sich das von ihm erzählen. Befriedigen Sie endlich Ihre Neugier. Bringen Sie ihn zum Reden, setzen Sie ihm die Pistole auf die Brust.«
    Lituma schloß die Augen. Alles in ihm drehte sich, und in solchem Taumel würden auch Tomasito und Mechita untergehen, in dem Augenblick, da sie sich, ineinander verschlungen, am meisten liebten.
    »Es interessiert mich nicht mehr«, stammelte er. »Ich hab schon den Rolladen runtergelassen, ich hab schon zugesperrt. Meine neue Ernennung ist da. Ich werde an den Oberen Marañón gehen und das Hochland vergessen. Ich freue mich, daß die apus den huayco nach Naccos geschickt haben. Und daß die Straßenarbeiteneingestellt wurden. Dank der apus kann ich abhauen. Nie in meinem Leben bin ich so unglücklich gewesen wie hier.«
    »So was, durch den Pisco kommen die Wahrheiten hoch«, sagte der Wirt beifällig. »Wie bei allen, mein Herr Korporal. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie am Ende ebenfalls Ihr Tier kennenlernen. Was ist es wohl? Die Eidechse? Das Schweinchen?«
    Der Betrunkene war laut geworden, und Lituma wandte sich zu ihm um. Was er sah, erfüllte ihn mit Ekel. Das in sein Sakko-Gefängnis gezwängte Männchen hatte seinen Hosenschlitz aufgeknöpft und hielt sein Geschlecht in beiden Händen. Er zeigte es, schwärzlich und steil aufgerichtet, Doña Adriana, während er mit schwerer Zunge brüllte:
    »Bet ihn an, Alte. Knie nieder und sag mit gefalteten Händen zu ihm: ›Du bist mein Gott.‹ Spiel nicht die Zimperliese.«
    Lituma wurde von einem Lachanfall geschüttelt. Aber ihm war danach, sich zu übergeben, und in seinem Kopf schwirrten wie wild die Zweifel um Mercedes. War sie die aus Piura, oder war sie es nicht? Ein solcher Zufall war nicht möglich, verdammt nochmal. Furchtbare Sachen, hatte dieser widerliche Tropf gesagt?
    Señora Adriana drehte sich um und kehrte hinter die Theke zurück. Da war sie wieder, die Ellbogen auf das dicke Brett gestützt, und schaute mit der größten Gleichgültigkeit auf den Betrunkenen mit dem offenenHosenschlitz. Der betrachtete sein Geschlecht mit betrübter Miene, inmitten des leeren Raums.
    »Sie sprachen von furchtbaren Sachen, mein Herr Korporal«, sagte Dionisio. »Da haben Sie eine. Haben Sie etwas Furchtbareres gesehen als dieses rußfarbene Schwänzchen?«
    Er lachte schallend, und Señora Adriana lachte ebenfalls. Lituma tat es ihnen nach, aus Höflichkeit, denn ihm war nicht nach Lachen zumute. Jeden Augenblick würde er zu würgen beginnen und sich übergeben müssen.
    »Ich werde diesen Trottel mitnehmen«, sagte er zu ihnen. »Er nervt nur und wird Sie die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen.«
    »Wegen mir brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, ich bin daran gewöhnt«, sagte Dionisio. »Diese Spektakel gehören zu meiner Arbeit.«
    »Was schulde ich Ihnen?« fragte der Korporal, während er nach seiner Brieftasche griff.
    »Heute abend geht es auf Rechnung des Hauses.« Dionisio reichte ihm die Hand. »Hab ich Ihnen nicht gesagt, daß ich die Vorräte liquidiere?«
    »Na, dann vielen Dank.«
    Lituma ging auf den Betrunkenen zu. Er packte ihn am Arm und stieß ihn, ohne Gewalt, in Richtung Tür:
    »Du und ich, wir werden da draußen ein bißchen frische Luft schnappen, Bruderherz.«
    Der Mann leistete nicht den geringsten Widerstand. Er knöpfte sich hastig den Hosenschlitz zu.
    »Natürlich, Herr Korporal«, brabbelte er, sich verschluckend. »Ein rechtes Wort, und man versteht sich.«
    Draußen erwartete sie eisige Dunkelheit. Es regnete nicht, und es blies auch nicht der Wind wie sonst in den Nächten, aber die Temperatur war seit dem Nachmittag stark
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