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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden
Autoren: Mario Vargas Llosa
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alle gleich? Was denn nun, also.«
    Dionisio suchte Litumas Blick, als wollte er sagen: ›Und was machen Sie jetzt, das geht eher gegen Sie als gegen mich.‹ Auch Doña Adriana wartete auf seine Reaktion. Lituma konnte spüren, wie der Blick der beiden anderen Männer auf ihn gerichtet war.
    »Ich bin nicht als Polizist hier, sondern als ein Gast wie jeder andere«, sagte er. »Das Lager ist geschlossen, also keine Streitereien. Stoßen wir lieber an.«
    Er hob sein Glas, und der kleine Betrunkene tat es ihm gefügig nach, indem er seine leere Hand hob, sehr ernst: »Prost, Korporal.«
    »Die Frau, die jetzt mit Tomasito zusammen ist, die hab ich gekannt, als sie noch ein Kind war«, sagte Lituma verdattert vor sich hin. »Sie ist noch besser, als sie schon als Mädchen war, in Piura. Wenn Josefino oder die Chunga sie sehen könnten, die würden sich wundern, wie hübsch sie ist.«
    »Ihr beide seid verdammte Lügenmäuler«, sagte der Betrunkene, abermals wütend, während er auf die Theke schlug und dem Wirt herausfordernd den Kopf näherte. »Das sage ich euch ins Gesicht. Ihr könnt allen den Kopf vernebeln, aber mir nicht.«
    Dionisio war nicht im mindesten beleidigt. Sein halb erregter, halb friedlicher Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber er hörte auf, den Bären zu spielen. Er hielt eine Flasche Pisco in der Hand, aus der er von Zeit zu Zeit Litumas Glas nachfüllte. Mit der größten Ruhe füllte er ein weiteres Glas und reichte es freundschaftlich dem Betrunkenen:
    »Was dir fehlt, ist guter Schnaps, Bruderherz. Bier ist für Leute, die nicht wissen, was gut ist, die sich gern betäuben und rülpsen. Auf, probier mal und riech die Traube.«
    ›Es kann nicht sein, daß diese Mercedes Meche ist‹, dachte Lituma. Er hatte sich geirrt, das war die Verwirrung des Alkohols. Zwischen Nebeln sah er, daß der Betrunkene gehorchte: Er nahm das Glas, dasDionisio ihm reichte, atmete sein Aroma ein und trank es schlückchenweise, mit Pausen, die Augen halb geschlossen. Er schien friedlich geworden zu sein, aber kaum hatte er es geleert, wurde er wieder wütend.
    »Lügenmäuler, um nicht was Schlimmeres zu sagen«, knurrte er, wobei er erneut sein Gesicht drohend dem des gelassenen Wirts näherte. »Es würde nichts passieren, was? Und es ist alles passiert! Der huayco ist runtergekommen, die Straßenarbeiten wurden eingestellt, und man hat uns entlassen. Trotz der furchtbaren Sachen sind wir schlimmer dran als vorher. Man kann die Leute nicht für dumm verkaufen und dann in aller Ruhe zusehen, was passiert.«
    Er stand keuchend da; sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er blinzelte mit den Augen und warf mißtrauische Blicke in die Runde – beunruhigt über die Worte, die er gesagt hatte? Lituma beobachtete den Wirt. Dionisio war ungerührt und füllte erneut die Gläser. Señora Adriana kam hinter der Theke hervor und nahm den Betrunkenen bei der Hand:
    »Komm, tanzen wir, damit deine Wut verraucht. Weißt du nicht, daß Wut schlecht für die Gesundheit ist?«
    Die Musik, die gerade gespielt wurde, war kaum zu hören, der Akustik wegen und durch die ständigen atmosphärischen Störungen. Der Mann begann, einen Bolero zu tanzen, wie ein Affe an Doña Adriana geklammert. Immer noch wie im Nebel sah Lituma,daß der kleine Betrunkene sich an sie preßte und ihr gleichzeitig die Hinterbacken streichelte und seinen Mund und seine Nase an ihrem Hals rieb.
    »Wo sind die anderen?« fragte er. »Die eben noch hier Bier getrunken haben?«
    »Sie sind vor etwa zehn Minuten gegangen«, informierte ihn Dionisio. »Haben Sie nicht die Tür schlagen hören?«
    »Macht es Ihnen nichts aus, wenn man vor Ihrer Nase Ihre Frau befummelt?«
    Dionisio zuckte die Schultern.
    »Betrunkene wissen nicht, was sie tun.« Er lachte, während er gierig den Duft des Glases einatmete, das er in der Hand hielt. »Und außerdem, was macht das schon. Schenken wir ihm zehn Minuten Glück. Sehen Sie nur, wie er’s genießt. Sind Sie nicht neidisch?«
    Der kleine Mann war Señora Adriana fast auf den Leib geklettert und hatte zu tanzen aufgehört. Er rührte sich nicht von der Stelle, und seine Hände wanderten über die Arme, die Schultern, den Rücken und die Brüste der Frau, während seine Lippen ihren Mund suchten. Sie ließ ihn gewähren, mit einem gelangweilten, leicht angewiderten Gesichtsausdruck.
    »Er ist wie ein Tier.« Lituma spuckte auf den Boden.
    »So ein Tier kann ich nicht beneiden.«
    »Die Tiere sind
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