Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau
Autoren: Susanne Goga
Vom Netzwerk:
überzeugte.
    Auf dem Weg nach draußen
     kam ihnen Herbert von Malchow entgegen, der Leo einen vielsagenden
     Seitenblick zuwarf und sich mühsam eine Bemerkung zu verkneifen
     schien. Leo ignorierte ihn und legte sich im Gehen den Schal um, bevor sie
     auf die windgepeitschte Straße hinaustraten.
    Berns fuhr mit einem Wagen
     vor und ließ die Kollegen einsteigen. Dann wendete er und machte
     sich auf den Weg nach Schöneberg.
    *
    Er hieß Edgar, so hatte
     er sich Paul jedenfalls vorgestellt. Von ihm wusste der Junge auch, dass
     sie sich im Bananenkeller befanden. Der hieß so, weil im Haus über
     ihnen mal ein großer Obstladen gewesen war. Jetzt sollte es
     abgerissen werden, aber bis dahin krochen hier die Leute unter, für
     die im Asyl kein Platz mehr war. Was ein Asyl war, wusste Paul nicht, aber
     er wollte auch gar nicht dorthin. Sie saßen nebeneinander auf einer
     alten, verschlissenen Decke, den Rücken an der Wand, die Knie
     angezogen, und unterhielten sich leise.
    »Wat machste eijentlich
     hier?«, fragte Edgar plötzlich.
    Paul überlegte. Er
     wusste nicht, ob er seinem neuen Freund die ganze lange Geschichte erzählen
     sollte. Dann zuckte er mit den Achseln. »Mein Vater ist böse.«
    »Det vasteh ick, meen
     Alter hat mir ooch imma vakloppt«, meinte Edgar mitfühlend.
     »Ick war der Jüngste von fünfen, die anderen ham sich imma
     vasteckt und mir hat er erwischt. Dann jabet Senge, sach ick dir.«
     Er erzählte, wie er mit dreizehn von zu Hause abgehauen war und sich
     allein durchgeschlagen hatte. Als illegaler Gepäckträger am
     Schlesischen Bahnhof, als Schankbursche, Stiefelputzer, er hatte alles
     versucht, aber nichts durchgehalten. Dann kamen kleine Diebstähle und
     Betrügereien, zweimal hatte er kurze Zeit eingesessen, bevor er
     erneut auf der Straße landete. Paul lauschte der rauen Stimme, bis
     der andere sich rührte und aufstand.
    »Ick seh mir mal um,
     'ne Pulle orjanisieren. Willste ooch wat roochen?«
    Paul schüttelte den
     Kopf. »Kommst du gleich wieder?«
    Der andere nickte. »Ick
     seh zu, det ick 'ne Schrippe für dir finde.« Mit diesen Worten
     verschwand er in einem dunklen Gang.
    *
    Edgar war aus dem Keller
     gekrochen und schlenderte Richtung Neue Friedrichstraße. An der Ecke
     stand die imposante Zentralmarkthalle mit dem kuppelgekrönten
     Eckturm. Sämtliche Zufahrtsstraßen waren mit Lieferwagen und
     Pferdefuhrwerken verstopft; zahlreiche Obst- und Gemüsehändler
     Berlins holten hier ihre Ware ab. In der Luft hing der Duft von Äpfeln,
     vermischt mit dem durchdringenden Geruch nach Kohl, Zwiebeln und
     Pferdemist; überall herrschte lautes Stimmengewirr. Edgar wunderte
     sich, wie die Leute in dem ganzen Chaos den Überblick behalten
     konnten, und nutzte die Gelegenheit, um sich drei Äpfel von einem
     Karren zu schnappen und in seiner weiten Hosentasche verschwinden zu
     lassen. Ein paar Möhren wanderten hinterher, dann schlich er an einem
     Bäckerwagen vorbei und stibitzte vier ofenwarme Schrippen. Um sein Glück
     nicht überzustrapazieren, stahl er sich davon, wieder Richtung
     Bananenkeller. Ein Mann mit Gummischürze klebte gerade ein Plakat an
     eine Litfaßsäule. Edgar warf einen flüchtigen Blick darauf
     und hielt inne. Er trat näher und schaute sich die Zeichnung an.
    »Da brat mir doch eener
     -«
    »Wat kiekste so?«,
     fragte ihn der Plakatkleber und griff nach seinem Leimeimer. »Biste
     scharf uff die Belohnung?«
     
    Gesucht wird:
    Paul Görlich, 12 Jahre
     alt wohnhaft Togostrasse 79B, Berlin-Wedding
    dunkle Haare, braune Augen,
     klein gewachsen für sein Alter
    vermutlich bekleidet mit
     einem grauen Herrenregenmantel, der ihm zu gross ist
    es ist eine Belohnung
     ausgesetzt.
    sachdienliche hinweise an das
    Polizeipräsidium Berlin
     
    Edgar konnte sein Glück
     kaum fassen. Das Präsidium lag gleich um die Ecke.
    *
    Das herrschaftliche Haus, in
     dem Richard vom Hofe wohnte, oder besser residierte, lag in der
     Kaiserin-Augusta-Straße. Ganz in der Nähe gab es einen Park mit
     einem See in der Mitte, der Blanke Helle genannt wurde. Leo Wechsler hatte
     einmal gelesen, dass manche den Namen als »blanke Hölle«
     deuteten oder mit Hei, der germanischen Herrin des Totenreichs, in
     Verbindung brachten. Wie passend, dass ein Mitglied der
     Asgard-Gesellschaft ausgerechnet in der Nähe dieser ehemaligen Kultstätte
     wohnte. Ob vom Hofe das wohl wusste?
    Leo blickte an der Fassade
     empor. Geschwungene halbmondförmige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher