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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal
Autoren: Eva Klingler
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abgesperrt hatte. Ich kannte sie vom Sehen. Sie saß – in Zivil – oft abends im Vogelbräu, Ettlingens weithin berühmter privater Hausbrauerei mit Biergarten und zünftigem Essen. Am Wochenende, wenn dort der Jazzbrunch stattfand, gab es kaum eine Chance auf einen Sitzplatz. Manche behaupten ja, Ettlingen sei etwas für jene Schickis, die es nicht ganz bis nach Baden-Baden geschafft haben. Aber das stimmt nicht.
    In Ettlingen und dem sanft bis in den Nordschwarzwald ansteigenden Albtal ließ sich ein ziemlich stressfreies Leben mit einem beinahe ganzjährigen Urlaubsgefühl verbinden. Die Stadt bedeutete eine gewisse Eleganz ohne billige Angeberei. Sie bot die Möglichkeit zu Understatement und Diskretion, lockte aber auch mit Privatschulbildung, noblen Seniorenstiften und schicken Architektenbüros in renovierten Fachwerkhinterhöfen. Hier gab es viel altes, ruhiges Geld aus Karlsruhe, Heidelberg oder Pforzheim.
    Und da draußen auf dem hübschen Platz, umgeben von Läden und Cafés und von Samstagsgesichtern, die ein heiteres Sommerwochenende einläuten wollten, lag jetzt eine von uns auf ihrer Bahre. Sie war kein glücklicher Mensch gewesen, das hatte ich immer gespürt. Als wollte sie eigentlich eine andere sein, wüsste aber nicht genau, wer.
    Und jetzt war sie tot.
    Nachdem Friederike so lange nicht aus der Umkleidekabine gekommen war, hatte ich erst gerufen und dann, als keine Antwort kam, nachgesehen.
    Ich hatte erwartet, sie aufgeregt und ein wenig verschwitzt inmitten von Kleidungsstücken und Bügeln vorzufinden. Stattdessen saß sie ganz still da, in diesem recht netten Seidenhemd von Aubade in einem zarten altrosa Puderton, neben sich das bewusste Gläschen Sekt, welches die Kundinnen von Frau Trost als Belohnung dafür bekommen, dass sie im Untergeschoss bei den teuren Designern kaufen, anstatt oben auf den Sonderangebotstischen zu wühlen. An ihrem Hals schwollen gerade hässliche rote Würgemale an, die Augen waren hervorgetreten, die Hände hingen schlaff herab. Das ganze Bündel Mensch lehnte an der Wand der Kabine wie eine Puppe.
    Ich spürte, wie ich ganz leicht zu schwitzen begann, wenn ich mir den Anblick nochmals vor Augen rief.
    Es würde Abend werden, bevor der kühlende Wind, der abends aus dem lang gestreckten und saftig grünen Tal von Bad Herrenalb herunterwehte – von den dankbaren Ettlingern liebevoll »der Albtäler« genannt –, für Erfrischung sorgen würde.
    Verdeckt unter dem Tuch, ein langer, rundlicher Klumpen, wartete Friederike Schmied nun so geduldig, wie es auch zu Lebzeiten ihre Art gewesen war, darauf, dass der Krankenwagen wendete und sie endlich unseren Blicken entzog. Auf unserer neu angelegten, mit jungen Pappeln gesäumten Allee würde der Wagen Ettlingen verlassen und Richtung Karlsruhe fahren. Vermutlich ins Diakonissenkrankenhaus in Rüppurr gleich rechts am Ortseingang von Karlsruhe, aber vielleicht auch in die Städtischen Krankenanstalten am anderen Ende der Stadt.
    Melancholisch blickte ich ihr nach. Mit ihr verschwand auch eine noch unbezahlte Rechnung, denn ich konnte dem trauernden Witwer schwerlich eine Honorarrechnung für eine Tätigkeit präsentieren, deren Ergebnis eine tote Gattin war. Ich hatte das Geldverdienen nicht nötig, aber ärgerlich war es doch. Friederikes Tod bedeutete schlimmstenfalls das vorläufige Ende meiner netten Geschäftsidee, denn bei meiner Art von Kundschaft kam es bestimmt nicht gut an, wenn gleich im ersten Jahr eine Klientin beim Einkaufsbummel mit mir ermordet wurde.
    Der Kripobeamte mit dem seltsamen Vornamen hatte mich die ganze Zeit aufmerksam beobachtet. Mir wurde unwohl. Hoffentlich forschte er in meiner Miene nicht nach verräterischen Hinweisen, um mich als Verdächtige in seine Akten aufzunehmen. Zwar besaß ich für nahezu jeden Anlass das geeignete Outfit, doch beim Untersuchungsgefängnis müsste ich passen. Vielleicht könnte ich meine einfache Reisenthel-Weekender-Tasche – ein Werbegeschenk der Vogue – nehmen und einen schlichten Jogginganzug von Hanro einpacken. Welche Farbe wählte man am besten für den Knast? Grün und Blau könnten sich mit den Uniformen meiner Wärter beißen oder für Verwechslungen sorgen. Rot war zu aggressiv, und Schwarz wirkte deprimierend. Weiß würde zwar unschuldig aussehen, aber ich wusste ja nicht, wie man es im Untersuchungsgefängnis mit der Sauberkeit hielt. Weißes ist nun mal empfindlich.
    Aber warum hätte ich Friederike Schmied ermorden sollen? Oder anders
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