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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal
Autoren: Eva Klingler
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das wohl nicht verstehen wird. Sie hat mich dafür bezahlt, dass ich mit ihr shoppen gehe. Sie dabei berate. Meine Güte, ich sollte ihr sagen, was ihr steht und was sie kaufen soll.«
    Er starrte mich mit seinen grauen Augen ungläubig an. Dann nahm er mich am Ellbogen, führte mich zur Seite neben das Drehgestell mit nichtssagenden Street-One-Blusen – mir blieb auch nichts erspart –, wies mir mit einer Kopfbewegung ein Stühlchen zu und setzte sich neben mich wie ein besorgter Arzt neben einen Verrückten.
    »Erzählen Sie genauer!«
    Ich blickte aus dem Schaufenster, vorbei an den großen Schildern: »Heute 50 Prozent auf exklusive Sommerware im ersten Stock.« Durch das Fenster sah ich, wie die Bahre hinaus auf den idyllischen Platz vor dem üppig verzierten Ettlinger Rathaus getragen wurde.
    Wie oft hatte ich Rotariergattinnen von außerhalb im Rahmen einer launigen Stadtführung neben der Martinskirche – »Chorturm spätgotisch/romanisch, die reich gegliederte Turmlinie Barock, meine Damen« –, der Stadtmauer und dem Lauerturm mit dem dortigen Museum auch den Marktplatz und das prachtvolle Rathaus gezeigt und ihnen erklärt, dass das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert stammte.
    Es war seltsam, wie man plötzlich vertraute Dinge schärfer wahrnahm.
    Mein Blick schweifte über unser Stadtwappen, einen Nachfolger des ältesten badischen Stadtwappens, mit dem roten Schrägbalken und dem silbernen Zinnenturm, und weiter zum Wohnhaus auf der anderen Seite, wo das Stammhaus des einstmals regional bedeutsamen Kaufhauses Schneider gewesen war.
    Wie jeden Samstag war Markt mit etwa dreißig bunten Ständen, aber heute fand noch zusätzlich das Marktfest statt. Die ganze Stadt brodelte. Gut gelaunte Gruppen von Freunden oder einfach nur losen Bekannten bevölkerten die Straßencafés. Die appetitlichen Stände mit Blumen, Gemüse und Naturprodukten sorgten für eine fast provenzalisch anmutende Szenerie. Nicht umsonst war Ettlingen verschwistert mit dem französischen Épernay, wo der Champagner herkam.
    Normalerweise kaufte ich ja bevorzugt in Feinkostläden ein, aber gelegentlich schlenderte ich über den Markt und erstand französischen Rohmilchkäse oder frisches exotisches Obst. Vor dieser alternativ angehauchten Kulisse hatte ich so wenigstens die Gelegenheit, meine Jacke von Green House im Ethnostil oder das kurze Blumenkleidchen im Retrolook von Oui auszuführen. Dazu wählte ich dann helle, flache Ziegenlederstiefel, ohne Strümpfe, sodass man meine braune Haut sah, und nahm meinen bunten Korb aus dem Weltladen über den Arm. Das kam bei den wohltätigkeitsbesessenen Damen aus meinen Kreisen gut an. Swentja Tobler als wandelnder Werbeträger für sich selbst, für ihren Mann und für ihren neuen noblen Einkaufsservice.
    Zum Markt im heimischen Ettlingen das Gleiche zu tragen wie abends im Restaurant in Baden-Baden oder in Straßburg, wäre für mich hingegen undenkbar gewesen. Ich zog mich mindestens drei Mal am Tag um, und mit der Kleidung wechselte ich die Handtaschen, die Schuhe, den Schmuck und den Stil. Und die Persönlichkeit. Eine neu zugezogene Nachbarin in der Villa nebenan hatte lange Zeit geglaubt, in unserem Haus wohnten zwei Schwestern, die niemals zusammen das Haus verließen.
    Friederike Schmied hatte sich einen heißen Tag zum Sterben ausgesucht. Draußen vor der Tür der Boutique, die allerdings mit einer starken Klimaanlage verkaufsfördernd heruntergekühlt war, entfaltete sich ein typischer badischer Frühsommer.
    In der Kleinstadt Ettlingen, die von bewaldeten Hügeln umgeben war, konnte man es zwar etwas besser aushalten als in der benachbarten Großstadt Karlsruhe, wo die Hitze zwischen den Mietshäusern lastete, aber auch für unsere Verhältnisse war es heute wirklich drückend. Nicht einmal die Alb, die unweit von hier über flache Steine kullerte und dann zügig unter der pittoresken Holzbrücke hindurchfloss, vorbei am geheimnisumwitterten Neptunstein, brachte echte Kühlung.
    Sanitäter hievten die Bahre auf eine Art Gestell, und mühelos glitt Friederikes Körper ins Innere. Zu ihrer vorletzten Fahrt.
    Die Kinder, die sich zuvor mitten auf dem Platz mit Wasser aus dem alten Georgsbrunnen bespritzt hatten, standen still und stumm und waren sogar zum Kichern zu verblüfft. Auf einmal war der Tod viel näher als im Fernsehen. Zum Anfassen und zum Erschrecken nah.
    Eine Polizistin wischte sich über die verschwitzte Stirn und entfernte das Seil, das den Eingang zur Boutique
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