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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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gezeigt. Schnell waren sie sich handelseinig geworden. Zwar musste Matze wieder als fester Freier arbeiten, würde also keinen Anstellungsvertrag bekommen. Doch er hatte ohnehin nicht damit gerechnet, mit vierunddreißig noch mal fest angestellt zu werden. Außerdem war er nun, nachdem er keine Miete mehr zahlen musste, finanziell ziemlich unabhängig.
    Auch seine neue Kollegin, die Polizeireporterin Alexandra Katzenstein, hatte er schon kennengelernt. Alter Schwede, hatte er gedacht. Da ist man jahrelang in Berlin, sieht tagaus, tagein die schärfsten Weiber – okay, man sieht sie nur –, kommt dann nach Bremen, also in die Provinz, und erwartet dort allenfalls ein paar Landpomeranzen. Und dann so was. Alexandra Katzenstein. Hammerfrau. Wilde Löwenmähne. Tizianrot. Eine Haarfarbe, die unmöglich echt sein konnte. Oder der liebe Gott hatte gezaubert. Grüne Augen. Heller Prinzessinnen-Teint. Feine Sommersprossen wie Goldstaub.
    »Ihr werdet jetzt viel Zeit miteinander verbringen«, hatte Simon Schröder gesagt. Matze hatte geschluckt und irgendwas von »freut mich« oder so gestammelt, mit roten Ohren. Die Katzenstein hatte ihm die Hand gereicht, ihm einen kühlen Blick zugeworfen und rotzig »wenn’s der Wahrheitsfindung dient« gemurmelt. Ihr Lächeln – sie hatte auffallend weiße, ebenmäßige Zähne, die entweder gut gepflegt oder sehr teuer gewesen sein mussten – wirkte mechanisch.
    Trotzdem hatte Matze nach dem Vorstellungsgespräch richtig Lust auf seinen neuen Job in Bremen gekriegt. Und Bastis Gesicht, als er ihm gesagt hatte, dass er sich einen neuen Fotografen suchen müsse, hatte ihn in seiner Entscheidung noch bestärkt.
    »Du musst ja wissen, was du machst. Zum Glück habe ich mich ja früh um die Nachwuchsförderung gekümmert.«
    Doch dann, als die Möbelpacker seine Habseligkeiten aus seiner Berliner Wohnung geschleppt und in den Transporter verfrachtet hatten, war ein Kloß in seinem Hals geschwollen. Und in Bremen hatte er sich gleich am ersten Tag des neuen Jahres mit der Staatsgewalt angelegt. Na, wenn das kein schlechtes Omen ist, dachte Matze und schlief wieder ein.
    *
    Als Helga Willich am Morgen des 2.   Januar gegen sieben Uhr die Haustür der Villa von Prof.   Dr.   Albert Katzenstein aufschloss, beschlich sie ein ungutes Gefühl. Katzensteins Nachbarin hatte sie am Neujahrsmorgen angerufen. Der Professor sei Silvester in die Klinik eingeliefert worden. Sie habe den Krankenwagen vor dem Haus stehen sehen und beobachtet, wie die Sanitäter Katzenstein auf einer Trage in den Wagen geschoben hätten. Der Mathematiker sei ganz blau angelaufen gewesen und habe gejammert wie in Kind.
    Das, was die Nachbarin ihr da erzählte, passte so gar nicht zum Professor. Sie kannte Katzenstein nur als brummigen Einsiedler, kalt, unnahbar und offenbar hart im Nehmen. Mit ihr wechselte Katzenstein so gut wie kein Wort, obwohl sie ihm nun schon seit fast zwanzig Jahren den Haushalt führte. Nur zu ihrem Mann Ernst, der alle Reparaturen erledigte und den Garten in Schuss hielt, pflegte der Professor inzwischen ein fast freundschaftliches Verhältnis.
    Eines Tages, als Helga vom Einkaufen gekommen war, hatten ihr Mann und Katzenstein vor dem Schachbrett gesessen. Helga wusste, dass der Professor trotz Doktortitels in Mathematik keine Chance gegen ihren Mann haben würde. Ernst spielte seit seiner Kindheit Schach. Kein Tag verging, an dem er nicht vor dem Brett saß, berühmte Partien nachspielte, gegen sich selbst oder den Computer antrat. Er war sogar mal Deutscher Meister gewesen. Katzenstein war dagegen ein reiner Gelegenheitsspieler.
    Helga fürchtete, dass der Professor im Falle einer Niederlage einen seiner Wutanfälle bekommen und sie auf der Stelle rauswerfen würde. Doch Katzenstein, das musste man ihm lassen, hatte die Schmach, dass Ernst ihn schon mit wenigen Zügen matt gesetzt hatte, mit einer Gelassenheit ertragen, die sie ihm nicht zugetraut hätte.
    Fortan spielte der Professor regelmäßig mit Ernst Schach, studierte seine Züge, versuchte, von ihm zu lernen. Stundenlang saßen die Männer vor dem Brett – manchmal sogar bis in die Nacht hinein. Dass Schachpartien sich über Stunden hinziehen konnten, wusste Helga, seit sie Ernst kannte. Und in all den Jahren ihrer Ehe, inzwischen waren es fast vierzig Jahre, hatte sie ihm sein Hobby gelassen. Ein leidenschaftlicher Schachspieler war immer noch besser als ein notorischer Fremdgänger.
    Nach dem Anruf der Nachbarin hatte sie sofort
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