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Tod Eines Engländers

Tod Eines Engländers

Titel: Tod Eines Engländers
Autoren: Magdalen Nabb
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kleine alleinstehende Engländerin denken, wie sie über die Piazza gelaufen kam und sich m it einem dieser Bilderrah m en abplagte … Auß en seiter, nie recht akzeptiert. Selbst als Mörder ha t te er keinen Eindruck ge m acht, alle hatten ihn wie im m er ignoriert. In einem Land, in dem m a n ein Genie sein m u ß , um zu ü berleben, geschweige denn, um v o ranzuko m men, erben die Zaghaften nicht viel. Der Wacht m eister fühlte s i ch m üde. Gern hätte er den kleinen Treppenpu t zer an seine Arbeit geschickt, ihn ignoriert, wie alle anderen ihn ignoriert hatten, u n d sich ins Bett gelegt. Aber m orgen war Weihnachten, und vor ihm lag eine Bahnfahrt von zwa n zig Stunden, und der Tre p penputzer sah ihn m it hohlen A u gen an, ge d uldig, erge b en, darauf wartend, d a ß der Wa ch t m e ister etwas unterna h m , denn er wußte, nie m and sonst würde etwas tun. Jedes m al … un m ittelbar nach dem Mord, in den wenigen Se k unden, als Cipolla direkt unter ihren Augen im Durchgang die Waffe in einer Plasti k tüte gehalten hatte, dann in dem aufgehaltenen Trauerzug … dieses weiße Ges i cht, die unterwürfigen, hoffenden Augen … hatte er nur bis nach der B eerdigung warten wol l en und dann, wenn d e r Wacht m eister noch im m er nicht gekom m en wäre … ?
    » Was hatten Sie vor, Ci p oll a ? Heute abend, nac h dem Ihre Schwester u nd Ihr S c hw a ger wieder g egangen ware n ? «
    Cipolla schlug stumm di e Augen nieder, wie ein Kind, d a s beim Naschen ertappt wurde. Sei n e Reaktionen hatten durchweg etwas Ki n dliches, U nreifes, w i rkten wie I m itationen des Verhaltens von Erwachsenen. War das vielleicht der Grund, w e shalb er von allen ignor i ert wurde, wenn es um etwas Wichtiges ging? Als wollte m an i h m bedeuten: » Geh nach draußen u nd beschäft i ge dich eine Weile, solange wir Erwachsenen hier drinnen etwas zu besprechen haben.« Es konnte durch a us auch damit zu tun ha b en, daß er so klein war. Hatte er si c h wie ein Erwachsener gefühlt, als er für kurze Zeit eine Waffe in der Hand ge h alten und geschossen h atte? Oder war auch das eine Nachah m ung, der Tod des M a nnes m ehr oder weniger Zufall gewese n ? Und hatte das K i nd dann beschlossen, sich das Leben zu neh m en – der Versu c h konnte gelingen oder n icht … wahrscheinlich eher nicht, es hing davon ab, ob … » Was hatten Sie sich d e nn ausgeda c ht, Cipolla, den Flu ß ? Den Glocke n tur m ? «
    Giottos m a r m orner C a m panile wurde recht häufig von Selbst m ördern benutzt, denen längst egal war, ob auf dem belebten Platz unten je m a nd vorbeigi n g oder vorbe i fuhr .
    » Nicht der Ca m panile « , flüsterte Cipolla, die Augen noch im m er gesenkt. » Ich hatte in der Na z ione von diesem alten Mann geles e n … «
    Ein Vierundachtzigjähriger, der einen Brief hinterlass e n hatte, in dem stand, daß er nicht m ehr könne, daß d er Ka m pf, von einem lächerlichen Geldbetrag zu leben, der nicht ei n m al für die Er n ährung seines kleinen schwarzweiß e n Hu n d e s ausreiche, s e ine Kräfte übersteige. Er war vom Glockenturm gesprungen und a u f ein Auto gefallen, durch die Windschutzscheibe hindurch, und hat t e dabei nicht nur sich selbst, sond e rn auch die junge Fahrer i n in den Tod gerissen. Nie m and hatte an den H u nd gedacht, bis Nachb a rn ihn zwei Tage später winseln hör t en. In der Wohnung gab es nichts zu essen .
    »Ich wollte nicht, daß jemand verletzt wird. Ich habe schon genug Scha d en angerichtet . «
    » Dann also der Flu ß ? « Keine Antwort. Er hatte sich also für den Fluß entschieden. » Und Sie sind – was? Zweiundvierzig Jahre al t ? «
    » Jawohl, Herr Wachtmeister . « Er saß sehr still und aufrecht. D a s struppige Haar verstärkte den Ei n druck des Jungenhafte n . Es war u n m öglich, sich Cipolla nicht als das Opfer d e s Engländers v o rzustellen, aber der Engländer w a r tot, und Cipolla lebte, und der W a cht m eister hatte seine Arbeit zu t u n, auch we n n sie ihm noch nie so wenig Sp a ß ge m acht hatte .
    » Wie alt w aren Sie während des Krieges ? « fragte e r unver m ittelt .
    »Etwa sechs, als er aufhörte . «
    » Können Sie sich noch gut an i h n erinner n ?« Solche Fragen sollte er eigentlich nicht stelle n , und trotzde m , es war eine Möglichkeit, ihm ein wenig Beachtung zu sch e nken .
    » Nur schwach, hauptsächlich an die letzte Zeit, als wir wegziehen m ußten. U n ser Haus war a u sgebo m bt worden. «
    » Konntet ihr nicht
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