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Tod den alten Göttern

Tod den alten Göttern

Titel: Tod den alten Göttern
Autoren: P Tremayne
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hatte recht.
    |22| »Er gehörte doch aber zu den Uí Néill, zur gleichen Familie wie der Hochkönig«, sagte er betroffen zu Irél. »Kann es sich
     um eine Blutfehde gehandelt haben? Oder steht ein Aufstand bevor?«
    Der Befehlshaber der Fianna hielt sich mit einer Äußerung zurück, aber seine Gedanken gingen in die gleiche Richtung.
    »Wir müssen Abt Colmán, den Oberkämmerer, holen lassen, und auch Cenn Faelad, den Bruder des Hochkönigs. Er ist der gesetzmäßige
     Erbe und wird ihm als König auf den Thron folgen. Man muss ihn benachrichtigen. Inzwischen werde ich der Fianna Befehl erteilen,
     in Bereitschaft zu stehen, bis wir hinter den Sinn des Ganzen gekommen sind.«
    Noch einmal warf Lugna einen Blick auf die reglos im Bett liegende Gestalt.
    Sechnussach, Sohn von Blathmac, dem Sohn von Sil nÁedo Sláine, direkter Nachkomme des unsterblichen Niall von den Neun Geiseln,
     Hochkönig der fünf Königreiche von Éireann, war tot. Wenn es wirklich eine Blutfehde war, würde über kurz oder lang in den
     fünf Königreichen ein Bürgerkrieg ausbrechen.

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    |23| KAPITEL 1
    Als Broterwerb hatte Ferloga sein Leben lang ein Gasthaus betrieben, und er brüstete sich damit, Gäste jeglicher Art empfangen
     zu haben – reiche und arme, hochmütige und bescheidene. Könige und Stammesfürsten hatten bei ihm genächtigt, Mönche und Geistliche
     aller Couleur, wohlhabende Kaufleute, umherziehende Schauspieler, Bauern auf dem Weg zum Markt und selbst Bettler, die verzweifelt
     um Unterschlupf gebeten hatten. Er bildete sich etwas darauf ein, dass nie ein Gast versucht hatte, ihn zu prellen, denn angeblich
     konnte er bei fast allen auf den ersten Blick sagen, welches Gewerbe sie betrieben und ob sie vertrauenswürdig waren oder
     nicht. Jetzt aber saß der alte Gastwirt da und unterhielt sich mit seiner Frau, die den Frühstückstisch abräumte, und gestand
     freimütig, nicht zu wissen, woran er war. Der letzte Gast, der zu nächtlicher Stunde angeklopft hatte, war ihm ein Rätsel.
    Bei dem Fremden, der Herberge begehrte, handelte es sich um einen großen, hageren Mann, dünn wie ein Skelett, mit pergamentähnlicher
     Haut, die straff die Knochen umspannte. Alt war er auf alle Fälle, aber ob sechzig oder achtzig, ließ sich schwer ausmachen.
     Er hatte einen merkwürdigen Blick, denn den linken Augapfel verschleierte ein trüber Film, offensichtlich Folge des grauen
     Stars. Das dichte, weiße Haar stand nach allen Seiten ungebändigt ab, die krausen Locken reichten bis |24| zu den Schultern. Der Hals mit dem auffallend hervorstehenden Adamsapfel erinnerte den Betrachter an die faltige Haut eines
     gerupften Huhns. Bekleidet war er mit einem Wollumhang, dessen dunkles Grau vermutlich ehemals weiß gewesen war und der bis
     zu den Knöcheln reichte. In den langen Stab aus Holz, den er bei sich trug, waren seltsame Muster geschnitzt, und um die Schulter
     hatte er eine Ledertasche gehängt.
    Zunächst hatte Ferloga gedacht, er wäre ein wandernder frommer Bruder, sah er doch aus wie einer der umherziehenden Eremiten,
     denen man ab und an begegnete, auch war er eindeutig zu Fuß gekommen. Bald aber hatte er den Gedanken verworfen, denn als
     der Mann seinen Umhang löste, kam darunter keins der üblichen Symbole des Neuen Glaubens zum Vorschein, sondern eine fremdartige
     Kette aus Gold und Halbedelsteinen, wie sie kein frommer Mann trug.
    Die Unterhaltung war auf das Wesentliche beschränkt geblieben. Ferloga war von seinen Gästen gesprächsfreudige Geselligkeit
     gewöhnt, dieser Reisende aber hatte nur kurz und knapp ein Bett verlangt. Selbst den traditionellen Becher
corma
, der einen vor nächtlichem Frösteln bewahrte, hatte er abgelehnt. Und als Ferloga ihn gefragt hatte, woher er käme, hatte
     er nur geantwortet: »Von weither aus dem Norden.« Aus all dem hatte Ferloga die Schlussfolgerung gezogen, dass der Mann von
     dem langen Fußmarsch erschöpft war; es fiel tatsächlich auf, dass er etwas schwankte und die dunklen Tränensäcke leicht geschwollen
     waren. Also war der Gastwirt nicht länger auf ihn eingedrungen, hatte dem Spätankömmling über der Treppe ein kleines Zimmer
     zugewiesen und sich zurückgezogen.
    Jetzt aber in der Morgendämmerung machte er sich von Neuem Gedanken über den geheimnisvollen Gast.
    |25| Seine rundliche Frau murrte verärgert und rührte den Haferbrei um, den sie im Kessel über dem Feuer immer noch warm hielt,
     damit er nicht ansetzte.
    »Hier zu sitzen und
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