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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste
Autoren: Veit Heinichen
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Marine kreuzen weiter draußen, um einlaufende Frachtschiffe zu blockieren. Der Deutsche wird sich sofort nach der Ankunft ins Goldene Buch der Stadt eintragen, danach, um elf Uhr fünfundvierzig, empfängt Berlusconi seinen Kollegen auf der Piazza Unità. Gegen vierzehn Uhr dreißig die abschließende Pressekonferenz in den Räumen der Handelskammer an der Piazza della Borsa. Kurz darauf fährt der Kanzler zurück zum Flughafen, während unser Regierungschef noch eine Nacht bleibt, wegen des Abendessens mit den Industriellen. Ab Samstag morgen zehn Uhr geht alles wieder seinen normalen Gang. Noch Fragen?«
    Er grinste in die Runde, wußte genau, daß nichts kommen würde. Jetzt nicht mehr. Sie waren längst vorbereitet und hatten alles bis ins kleinste durchgeplant. Die Zusammenarbeit zwischen den sonst häufig konkurrierenden Sicherheitskräften lief bei offiziellen Anlässen stets reibungslos. Niemand hatte das geringste Interesse, daß bei einer solchen Angelegenheit auch nur der Anschein eines falschen Lichtes auf ihn fiel. Das würde die sichere Versetzung ans Ende der Welt bedeuten, ins Aostatal, nach Südtirol oder in eine abgelegene kalabrische Landgemeinde.
    »Heute steht der Appell der Kaufmannsvereinigung in der Zeitung, die Absperrung auf der Piazza della Borsa ein Stück Richtung Palazzo Modello zu verschieben, damit alle Läden dort öffnen können«, sagte der Kommandant der Vigili urbani, der Stadtpolizei, die für die kleineren Wehwehchen Triests zuständig war.
    »Nichts zu machen!« Der Questore hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Die Absperrung verläuft so, wie wir sie zusammen mit den Spezialisten vom Innenministerium festgelegt haben.« Er räusperte sich, dann griff er nach dem Karton vor sich und klappte ihn auf. »Ich wollte Ihnen noch eine Sache zeigen, Signori, die ich heute mit der Hauspost bekommen habe. Schauen Sie sich diese Schachtel an. Kein Absender. Und das ist auch besser so. Denn der Inhalt ist nicht besonders erfreulich und löste nicht nur bei meiner Sekretärin Brechreiz aus.«
    Er mußte aufstehen, um den großen Glasbehälter aus der Schachtel zu ziehen. In einer gelblichen Flüssigkeit schwamm ein Gegenstand, den Laurenti erst nach einigen Augenblicken identifizieren konnte. Auch bei den Kollegen entstand erst spät hektisches Gemurmel.
    »Das wollte ich Ihnen nicht vorenthalten. Die Flüssigkeit ist Formalin, und was darin schwimmt, Signori, trägt hoffentlich jeder noch von Ihnen zwischen den Beinen. Allerdings ist dieses Geschlechtsteil von starken Wucherungen befallen. Es kann nur aus einer uralten anatomischen Sammlung stammen, in der solche Besonderheiten einst zu Studienzwecken aufbewahrt wurden. Zu meiner Erleichterung darf ich hinzufügen, daß auch der Präfekt eine ähnliche Sendung erhalten hat. Bei ihm handelt es sich allerdings um ein verwachsenes Hinterteil.«
    Irgend jemand hinter Laurenti lachte kurz auf. Er konnte nicht sehen, wer es war, und auch der scharfe Blick des Chefs kam zu spät.
    »War eine Nachricht dabei?« fragte Laurenti.
    »Nichts. Ich habe keine Ahnung, woher das kommt, noch aus welchem Grund. Fingerabdrücke sind auch keine drauf. Es ist mir zu lästig, das als Drohung anzusehen. Ich gehe von einem groben Scherz aus, den sich jemand aus unseren eigenen Reihen erlaubt hat, anders ließe sich der Zugang zu unserem internen Postwesen nicht erklären.«
    Wieder setzte heftiges Gemurmel ein, das der Questore mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte.
    »Mehr ist dazu nicht zu sagen. Wir haben jetzt dringenderes zu tun.«
     
    Laurenti fragte den Vigili-Kommandanten im Hinausgehen, ob es wahr sei, daß man das Interieur des Rathauses wegen des Staatsbesuchs renoviert habe.
    »Nein, nein«, beschwichtigte der Kommandant der Stadtpolizei. »Nur da, wo Berlusconi hinkommt. Der Rest bleibt, wie er war.«
    »Das ist ja wie im Kommunismus«, murmelte Laurenti kopfschüttelnd.
    »Was erzählst du da?« fragte Ettore Orlando, der Chef der Küstenwache und Laurentis Freund, seit sie einst in Salerno zusammen zur Schule gegangen waren und sich Jahrzehnte später per Zufall in Triest wiederfanden.
    »Na, die Sache mit den Protokollstraßen in den ehemaligen kommunistischen Ländern. Für den Staatsbesuch hat die Stadtverwaltung das Rathaus angeblich auch nur dort renovieren lassen, wo Berlusconi vorbeikommt.«
    »Wundert dich das?« Orlando lachte spöttisch. »Die sind doch alle irgendwie von ihm abhängig. Vorauseilenden Gehorsam nennt man
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