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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg
Autoren: Petra Oelker
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teuer aussah, als sie den gleichen Reiseführer hochhielt, der auch in Leos Rucksack steckte und so schmählich Regen androhte.
    «Tut mir leid, Nina, das Wörterbuch ist in meinem Koffer. Wenn wir ankommen, suche ich es dir gleich raus. Das ist übrigens Frau Peheim, sie gehört auch zu unserer Gruppe, habt ihr euch schon kennengelernt? Ach nein», er grinste Leo vergnügt an, «als Sie kamen, saßen wir ja alle schon im Flugzeug. Darf ich bekannt machen? Das ist Nina Instein.»
    «Janina», korrigierte sie, ohne Leo mehr als einen knappen Blick zu gönnen.
    «Okay. Janina. Aber alle nennen sie Nina. Sie kommt wie ich aus Hamburg. Frau Peheim auch» wandte er sich wieder an seine Freundin. Doch das Mädchen, das nicht Nina genannt werden wollte, war schon verschwunden. Leo widerstand dem Impuls, sich aufzurichten und ihr nachzusehen. Warum saßen die beiden nicht nebeneinander?
    «Eine Freundin von Ihnen?», fragte sie.
    «Ja.» Es klang zögerlich, doch er fügte schnell hinzu: «Eine sehr gute Freundin, wir machen diese Reise zusammen. Eigentlich war es ihre Idee. Sie hat im vergangenen Winter im Guggenheim-Museum in Bilbao hospitiert und sich in Spaniens Norden verliebt. Ich wollte eigentlich — na, ist ja egal. Jedenfalls freue ich mich jetzt. So eine tausendjährige Pilgerroute hat was.»
    «Ich habe sie gar nicht im Zubringer aus Hamburg gesehen», sagte Leo. «War ich blind?»
    «Sicher nicht. Wir waren zwei Tage in Frankfurt, ich hatte dort einen beruflichen Termin, und Nina hat mich begleitet.»
    Leo spürte Erleichterung. Die Sorge, zwei Wochen ausschließlich unter Menschen zu sein, die vor jedem Altar, jedem Kreuz am Weg auf die Knie fielen oder in jeder romanischen Bauplastik Hinweise auf die Geheimnisse der Templer und des Heiligen Grals sahen, esoterische Energiefelder entdeckten und auf Erleuchtung hofften, war ihr genommen. Zumindest Benedikt und Nina schienen nicht dazuzugehören.
    «Die anderen», hörte sie Benedikt, «haben wir auch schon kennengelernt, vorhin am Gate. Fast alle. Zwei oder drei Teilnehmer treffen wir in Bilbao, die sind schon dort. Der Reiseleiter natürlich auch. Sollten Sie über mein profundes Wissen staunen: Ich hatte noch ein paar Fragen und habe vorgestern mit dem Reiseleiter telefoniert. Da hat er’s mir erzählt. Scheint eine nette Gruppe zu sein, obwohl», er rieb sich ausführlich die Nase, «na ja, in Wanderstiefeln und Anorak wirken Leute leicht ein bisschen spießig.»
    Er grinste sie freundlich an und beugte sich wieder über seine Lektüre.
    Leo hätte ihn gerne nach dem Rest der gefragt, zum Beispiel, ob alle in dem unverbrauchten Alter von Nina und Benedikt seien und sie sich für die nächsten Wochen als Alters-Präsidentin fühlen müsse, wie meistens, wenn sie sich in den letzten Jahren in einem Anfall von Übermut in eine Disco oder Szene-Bar verirrte Dabei fühlte sie sich mit ihren siebenunddreißig Jahren oft noch wie kurz nach der Pubertät, worauf sie allerdings nicht stolz war. Also stand es ihr nicht zu, über die nach Sinn und Erkenntnis Suchenden zu spotten — es musste einen Grund haben, warum sie sich ausgerechnet für die Wanderung auf einem Pilgerweg entschieden hatte.
    Da machte es über ihrem Kopf. Das Zeichen für das Schließen des Sicherheitsgurtes leuchtete auf, und die Stimme der Stewardess verhieß Turbulenzen, der Imbiss müsse leider noch ein wenig warten. Leo zog grimmig ihren Gurt fester, zerrte ihr Buch aus der Tasche und vertiefte sich entschlossen in das Kapitel über die Suche nach dem Heiligen Gral am Jakobsweg. Wer nach Santiago de Compostela wanderte, stand unter himmlischem Schutz, den konnten ein paar Turbulenzen nicht schrecken. Sie schlug das falsche Kapitel auf. Das, in dem berichtet wurde, wie mittelalterliche Pilger Opfer von Straßenräubern oder in Stürmen umstürzenden Bäumen geworden waren.
     
    «Sieh dir das an, Edith.» Die zünftig gebräunte Dame mit den graumelierten Löckchen stand vor dem Frühstücksbuffet und hielt mit spitzen Fingern eine Toastscheibe hoch. «Ich denke, dies ist ein Drei-Sterne-Hotel. Haben die hier kein Vollkornbrot?»
    «Spanische Sterne, meine Liebe», sagte ihre Begleiterin, ein ganz und gar rosiges Geschöpf, von den Haaren über die Wangen und die Bluse bis zu den Socken in den dunkelroten Wanderstiefeln. «Und in Spanien isst man nun mal Weißbrot. Wie überall rund ums Mittelmeer, das weißt du doch.»
    «Wir sind aber nicht am Mittelmeer, wir sind in
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