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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal
Autoren: H Nygaard
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der Junge schon einmal auffällig geworden?«
    Es entstand eine Pause. »Als Pädagoge habe ich eine
besondere Verantwortung gegenüber den Kindern. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen
ohne Weiteres Auskünfte erteilen muss. Aber ich kann Sie beruhigen. Außer der
üblichen pubertären Aufsässigkeit liegen keine Auffälligkeiten vor.«
    »In welche Klasse geht Nico?«
    »In die zehnte.«
    »Bei Frau Wiechers?«
    »Nein. Klassenlehrer ist Herr Hauffe. Frau Wiechers
hat in der Klasse lediglich Mathematik und Französisch unterrichtet.«
    »Ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Schüler der
zehnten Klasse von seinem Lehrer gesiezt wird?«
    Erneut herrschte für einen Moment Stille in der
Leitung.
    »Woher wissen Sie das?«, fragte van Oy dann verblüfft.
    »Beantworten Sie einfach meine Frage.«
    »Nicolaus ist volljährig und hat sich das ›Sie‹
ausbedungen. Es gab in der Vergangenheit wohl ein paar kleinere
Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Frau Wiechers.«
    »Welcher Art?«
    »Er fühlte sich ungerecht benotet. Wobei man
hinzufügen muss, dass die Kollegin für ihre strengen Maßstäbe gefürchtet war.«
    »Wie kommt es, dass Nico schon volljährig ist und erst
die zehnte Klasse besucht?«
    »Da gab es in der Vergangenheit ein paar unglückliche
Konstellationen. Deshalb hat er zwei Mal eine Klasse wiederholen müssen. Das
heißt aber nicht, dass er ein schlechter Schüler ist«, bekräftigte van Oy.
    »Eine letzte Frage. Was würde geschehen, wenn er erneut
das Klassenziel verfehlt?«
    »Darüber hat die Lehrerkonferenz zu befinden.«
    »Der auch Frau Wiechers angehörte?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wie steht Nico im zweiten Fach, in Französisch?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kenne nicht alle
Zwischennoten der Kollegen.«
    »Noch einmal zu meiner Frage. Hätte Frau Wiechers
dafür plädiert, dass Nico die Schule verlassen muss?«
    »Die Frage ist rein hypothetisch – jetzt, wo Ina
Wiechers tot ist. Zurück zu den angeforderten Listen. Ich werde mein Bestes
versuchen«, antwortete van Oy mürrisch und legte auf.
    Große Jäger nahm einen Schluck Kaffee, zog noch einmal
an der Zigarette und wandte sich dann an Christoph. »Das war sicher dieser
komische Direx, dem du da etwas entlocken wolltest.«
    Christoph nickte.
    »Mich wundert immer wieder, wie du mit deiner
vornehmen Kieler Art überhaupt etwas aus den Leuten herausbekommst. Mit solchen
Typen muss man deutsch reden.«
    Christoph winkte ab. »Der Mann ist in einer misslichen
Lage. Sicher ist es heutzutage nicht einfach, ein Gymnasium zu leiten. Und wenn
auch noch unverhofft solche Ereignisse wie der Mord an einer Lehrerin
dazwischenkommen, dann wundert es mich nicht, wenn van Oy Nerven zeigt.«
    »Miss Moneypenny hat angerufen. Du sollst zum Chef
kommen«, sagte Große Jäger.
    Kurz darauf stand Christoph im Vorzimmer des Leiters
der Husumer Polizeidirektion. Frau Fehling, vom Oberkommissar als Moneypenny
bezeichnet, war eine gepflegte Erscheinung und mit über sechzig Jahren die
älteste Mitarbeiterin der Dienststelle. Sie sah von ihrem Bildschirm auf,
schenkte Christoph ein Lächeln und zeigte auf die Verbindungstür. »Der Chef
erwartet Sie.«
    Nach einem Pro-forma-Anklopfen betrat Christoph das
Büro von Polizeidirektor Grothe. Der thronte wie gewohnt hinter seinem
Schreibtisch. Zwischen den wulstigen Lippen steckte die brennende Zigarre,
deren Duft man auf dem ganzen Flur wahrnehmen konnte. Grothe und Große Jäger
waren die einzigen Beamten im Haus, die das für öffentliche Gebäude geltende
Rauchverbot folgenlos ignorierten. Wer hätte dem schwergewichtigen Leiter der
Direktion das Verbot seiner Zigarre nahelegen können, die ebenso zu ihm gehörte
wie die Hosenträger, die sich über den massigen Leib spannten? Im Raum waberten
blaue Rauchschwaden in der Luft, und wenn der Chef, wie jeder den Vorgesetzten
nannte, in wenigen Tagen in den verdienten Ruhestand verabschiedet sein würde,
mussten zunächst die Handwerker anrücken, um das in Jahren aufgetragene Nikotin
von den gelben Wänden zu kratzen.
    Mit einem Nicken des massigen Schädels, der Christoph
an einen Dithmarscher Bullen erinnerte, zeigte Grothe auf den Besucherstuhl.
    »Mich hat Kriminaldirektor Dr. Starke angerufen«,
sagte der Polizeidirektor. »Er hat sich darüber beklagt, dass Sie und Ihre
Leute sich in die Kompetenzen seiner Mordkommission eingemischt haben.«
    »Wir sind zu einem Tatort nach Friedrichstadt gerufen
worden und haben den ersten Angriff ausgeführt.
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