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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schmales Gesicht, das im Alter etwas pferdehaft auszusehen begann, aber noch immer sehr klare, verschmitzte Augen. Eine Mischung zwischen Troll und Fee, so kam sie mir vor.
    Â»Tobias war ein Künstler. Die haben Narrenfreiheit. Eine Frau, die sich in einen Künstler verliebt, weiß im Prinzip, was ihr blüht.«
    Â»Ich finde das deprimierend.«
    Â»Hör mal«, sagte sie, »ich habe die männliche Gattung nicht programmiert. Mit diesem stupiden Hormon, du weißt schon …«
    Sie schnippte suchend mit den Fingern.
    Â»Du meinst Testosteron?«
    Â»Richtig. Vielleicht hast du zu wenig davon.«
    Â»Da widersprichst du dir aber.«
    Ich fand Mutter nicht immer lustig.
    Â»Tja«, sagte sie, »Männer sind komplizierter als Frauen, haben zu viel oder zu wenig von dem Zeug. Tanja hat allmählich dein ganzes Leben beherrscht. Und wenn es einmal so war, brauchst du Zeit, um dich davon zu erholen.«

    Ich dachte über die Bemerkung nach. Sie hatte mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. In letzter Zeit hatte sich Tanja mit ihrem eigenen Mysterium umgeben; jetzt wurde ich mündig, es war allmählich an der Zeit. Klar war am Anfang alles anders gewesen. Tanja war  – immer noch  – eine sehr schöne, sehr feminine Frau; ich war sehr verliebt gewesen. Verliebt in ihr blondes Kinderhaar, in die Biegung ihres Halses, in die aufrechte Haltung ihrer Schultern  – sie hatte ein paar Jahre Ballett gemacht. Und auch in ihre schönen Zähne, in die Art, wie sie lachte, mit zurückgeworfenem Kopf. Nichts an ihr entging mir, ihre einfachsten Bewegungen entzückten mich.
    Â»Sie hat etwas so Elegisches an sich.«
    Â»Wie bitte?«, brummte Amalia. »Hör endlich mit deinen Fremdwörtern auf!«
    Â»Sie war einfach wunderschön anzusehen. Und wenn sie zu mir sagte: ›Bitte reiche mir doch die Mayonnaise‹, dann war ich vor Entzücken geblendet.«
    Â»Armer Kerl!«, sagte Mutter schulterzuckend.
    Tanja arbeitete als Assistentin in der Redaktion einer Hochglanzzeitschrift. Mode und Lifestyle, Glamour und Hype. Allerdings nur drei Tage in der Woche, sodass ihr viel Zeit blieb, auch anderswo hip sein zu wollen und es nicht ausleben zu können. Ihr Job war schlecht bezahlt und nicht zeitintensiv genug. Sie ging gerne auf Partys, wollte ihre Freunde einladen und hinreißend gekleidet sein. Mein Geld  – und das ihre  – reichten einfach nicht.
    Ich sei nur gut im Bett, sagte sie, nur darum halte sie es mit mir aus. Aber  – so leid es mir tat  – wir lagen eben nicht die ganze Zeit im Bett, und ich hatte auch andere wesentliche Körperteile, die sie offenbar nur beachtete, um an mir herumzunörgeln. Es störte sie, wenn ich schlecht rasiert war, sie störte sich an den Tränensäcken unter meinen Augen. »Tu
was dagegen, Schatz!« Sie störte sich an meinen abgenagten Fingernägeln, an den verbeulten Cordhosen, die ich so gerne trug, an den Knötchen in meinen Pullovern.
    Â»Heutzutage schlafe ich manchmal ganz angezogen«, sagte ich zu Amalia. »Und manchmal wasche ich mich nicht einmal. Ich vergesse es ganz einfach, wenn ich zu Bett gehe.«
    Mutter quittierte es mit einem Achselzucken.
    Â»Solange deine Unterhose sauber bleibt und deine Socken nicht riechen, ist das doch in Ordnung.«
    Â»Socken trage ich nur, wenn es kalt ist. Und ich rasiere mich nicht täglich, weil ich empfindliche Haut habe und es mir unter der Nase wehtut. Soll ich denn ständig mit einem Pflaster herumlaufen?«
    Â»Nein, nur wenn es blutet«, sagte Mutter.
    Kurzum, Tanja wollte, dass ich Gesichtscreme auftrug und mich bei Boss mit Klamotten eindeckte, die für jüngere, ambitiöse Manager gemacht waren und nicht für Dozenten mit knappem Gehalt. Sie wollte mit mir shoppen, ich wollte nicht und konnte auch nicht und kam mir vor wie ein bockiger Esel.
    Amalia schob mir eine Schale rote Grütze unter die Nase. Ich tauchte kummervoll den Löffel hinein.
    Â»Im Kühlschrank steht noch eine ganze Schüssel voll.« Amalia gab mir einen dicken Klecks Sahne obendrauf. »Die Wahrheit ist, dass Tanja einfach zu jung für dich war. Ich habe es ja gleich gesagt, du kommst nach Tobias, der ein Eigenbrötler war. Und Tobias konnte ich nur ertragen, weil ich meinen eigenen Kram machte. Und wenn wir uns dann trafen  – am Tisch oder im
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