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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe
Autoren: Michael Moorcock
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Rabenschmied, wie Browning ihn nannte - das Schwert oder besser die Klinge nur gefunden und lediglich den Griff geschmiedet habe.
    Manche sagten auch, es sei die Klinge des Teufels. Andere behaupteten, das Schwert sei der Teufel selbst. Das Gedicht von Browning schildert, wie Corvo seine Seele gab, um das Schwert wieder zum Leben zu erwecken. Eines Tages würde ich mit unserem Rabenbrand nach Venedig ziehen und selbst herausfinden, ob an dieser Geschichte etwas Wahres war.
    Von Asch ging eines Tages fort und kam nie mehr zurück. Er suchte ein bestimmtes Metall, das er auf der Insel Morn zu finden hoffte.
    Dann kam der August 1914 - und während der ersten Monate des Krieges wünschte ich mir, ich wäre alt genug, um daran teilzunehmen. Als die heimkehrenden Veteranen berichteten, was sie erlebt hatten - diese Veteranen waren junge Männer und kaum älter als ich -, begann ich mich zu fragen, wie ein solcher Krieg jemals beendet werden konnte.
    Meine Brüder starben an Krankheiten oder wurden in namenlosen Schützengräben in Stücke gesprengt. Bald hatte ich keinen lebenden Verwandten mehr außer meinem alten Großvater, der in behütetem Luxus auf Mirenburg in Waldenstein lebte und mich aus großen, hellgrauen, enttäuschten Augen anschaute, weil er das Ende all dessen kommen sah, wofür er gearbeitet hatte. Nach einer Weile entließ er mich mit einem Winken, schließlich wollte er mich nicht einmal mehr an seinem Lager dulden.
    1918 wurde ich eingezogen. Ich stieß zum ehemaligen Infanterieregiment meines Vaters und wurde, da ich den Rang eines Leutnants bekleidete, sofort an die Westfront geschickt. Der Krieg dauerte gerade noch lange genug, um mir vor Augen zu führen, was für eine grausame Tollheit er war. Wir konnten kaum mit Worten aussprechen, was wir zu sehen bekamen.
    Manchmal schien es, als würden Millionen Stimmen aus dem Niemandsland herüberrufen und darum bitten, endlich vom Leiden erlöst zu werden - helft mir, helft mir, helft mir. Englisch, französisch, deutsch, russisch. Die Stimmen eines Dutzends untergehender Reiche, die beim Anblick der zerfetzten Leiber und gebrochenen Glieder aufschrien. Die zu Gott flehten, er möge die Schmerzen von ihnen nehmen. Die den Tod als Segen empfunden hätten. Stimmen, die riefen, was auch wir vielleicht schon bald rufen würden.
    Auch im Schlaf ließen sie mir keine Ruhe. In wiederkehrenden Träumen wanden sie sich und zuckten sie zu Millionen, sie kreischten und heulten nach Erlösung. Wenn die Nacht begann, verließ mich die eine Schreckensszenerie und eine andere - neue - begann. Große Unterschiede schien es zwischen ihnen nicht zu geben.
    Noch schlimmer, meine Träume beschränkten sich nicht auf den aktuellen Konflikt, sondern umfassten jeden Krieg, den die Menschheit je geführt hatte.
    Äußerst lebhaft, was ich zweifellos meiner ausgiebig genossenen Lektüre zu verdanken hatte, sah ich große Schlachten vor dem inneren Auge. Manche erkannte ich aus historischen Schilderungen wieder, die meisten aber waren, wenngleich mit anderen Kostümen, bloße Wiederholungen der Grässlichkeiten, die ich vierundzwanzig Stunden am Tag in den Gräben zu sehen bekam.
    Ein oder zwei Träume gab es, die am Ende eine Gemeinsamkeit aufwiesen. Eine wunderschöne weiße Häsin bemerkte ich, die durch die Reihen der kämpfenden Männer rannte, anscheinend unbemerkt und unverletzt. Einmal drehte sie sich um und sah mich an und die roten Augen ähnelten meinen eigenen. Ich hatte das Gefühl, ich sollte ihr folgen, aber nach und nach klangen die Alb träume wieder ab. Das wirkliche Leben war vermutlich schon schlimm genug.
    Als Anstifter des Krieges und der Geschichtsschreibung der Sieger unterworfen, wurden wir vom Vertrag von Versailles gedemütigt. Mit rücksichtsloser Gier und zum Entsetzen Präsident Wilsons zankten die Europäer über die Reste und nahmen Deutschland alles, einschließlich der Maschinen, mit denen das Land hätte wiederaufgebaut werden können. Die Folge war natürlich, dass wieder einmal das gemeine Volk gezwungen wurde, einen viel zu hohen Preis für die Narrheiten der längst im Exil sitzenden Adligen zu zahlen. Leben oder Sterben, Krankheit oder Gesundheit, Wohlbefinden oder Pein - ob wir das eine oder das andere erleben, entscheidet die Selbstsucht einiger weniger dummer Männer.
    Um ehrlich zu sein, entschlossen sich einige Adlige, wie auch ich selbst, zu bleiben und beim Wiederaufbau des deutschen Staatenbundes mitzuwirken, auch wenn ich keinerlei
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