Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter der Finsternis: Die Chroniken des Magnus Bane (04) (German Edition)

Tochter der Finsternis: Die Chroniken des Magnus Bane (04) (German Edition)

Titel: Tochter der Finsternis: Die Chroniken des Magnus Bane (04) (German Edition)
Autoren: Cassandra Clare
Vom Netzwerk:
Verzeihung. Halten Sie sich eventuell für einen Konzertflügel?«
    »Halten Sie Ihre Zunge im Zaum, Hexenmeister, und reden Sie nicht über Dinge, von denen Sie nichts verstehen.« Tatianas Hände waren auf einmal ganz verkrampft. Wie sie im Schoß ihres einst farbigen Kleides lagen, sahen sie aus wie Krallen. Der tiefe Schmerz in ihrer Stimme brachte Magnus augenblicklich zum Verstummen und sie sprach weiter. »Ein Schattenjäger ist ein Krieger. Ein Schattenjäger wird dazu geboren und ausgebildet, als Hand Gottes auf dieser Erde zu handeln und sie von allem Bösen zu befreien. Das besagen unsere Legenden. Das hat mein Vater mir beigebracht. Er hat mir allerdings auch noch etwas anderes beigebracht. Er hat bestimmt, dass ich nicht zur Schattenjägerin ausgebildet werden sollte. Dies sei nicht meine Aufgabe, hatte er gesagt. Meine Lebensaufgabe sei es, die pflichtbewusste Tochter eine Kriegers zu sein und später die Gefährtin eines Kriegers und die Mutter weiterer Krieger, die Ruhm über eine weitere Generation von Schattenjägern bringen sollten.«
    Tatiana deutete mit einer ausladenden Geste auf die Worte an den Wänden und die Flecken auf dem Boden.
    »Was für ein Ruhm«, sagte sie und lachte bitter. »Mein Vater und meine Familie wurden entehrt und mein Ehemann wurde vor meinen Augen in Stücke gerissen – in Stücke gerissen! Ich hatte nur ein Kind, meinen wunderschönen Sohn, meinen Jesse, aber er hatte nicht das Zeug zum Schattenjäger. Er war immer so schwach, so kränklich. Ich habe sie angefleht, ihn nicht mit Runenmalen zu versehen – ich war mir sicher, dass ihn das umbringen würde –, aber die Schattenjäger haben mich festgehalten und ihm mit Gewalt die Runen ins Fleisch gebrannt. Er hat geschrien und geschrien. Wir dachten alle, er würde dabei sterben, aber das tat er nicht. Er hielt meinetwegen durch, für seine Mama, aber ihre Grausamkeit hat sein Schicksal besiegelt. Jahr für Jahr wurde er kränker und schwächer, bis es irgendwann zu spät war. Er war sechzehn, als sie mir sagten, dass er es nicht überleben würde.«
    Während sie sprach, bewegten sich ihre Hände in einem fort: Nachdem sie auf die Wand gedeutet hatte, zupfte sie eine Weile an ihrem Kleid mit den uralten Blutflecken herum. Dann berührte sie ihre Arme, als würden die Stellen, an denen sie die Schattenjäger festgehalten hatten, immer noch wehtun, und spielte schließlich mit einem großen, kunstvoll verzierten Medaillon, das an ihrem Hals hing. Sie klappte es auf und zu, sodass das angelaufene Metall zwischen ihren Fingern glänzte und Magnus meinte, darin kurz ein scheußliches Porträt zu erkennen. Schon wieder ihr Sohn?
    Er sah zu dem Bild an der Wand, betrachtete das bleiche junge Gesicht und versuchte auszurechnen, wie alt der Junge gewesen sein musste, als Rupert Blackthorn vor fünfundzwanzig Jahren gestorben war. Wenn Jesse Blackthorn mit sechzehn gestorben war, dann war er jetzt seit mindestens neun Jahren tot. Aber vielleicht kannte die Trauer einer Mutter kein Ende.
    »Ich verstehe, dass Sie großes Leid ertragen mussten, Mrs Blackthorn«, erwiderte Magnus so sanft, wie er nur konnte. »Aber statt hier einen Rachefeldzug zu planen, der das sinnlose Abschlachten mehrerer Schattenjäger erfordert, sollten Sie sich vielleicht einmal bewusst machen, dass es da draußen eine ganze Reihe von Schattenjägern gibt, die Ihnen nur allzu gerne helfen würden, Ihren Schmerz zu lindern.«
    »Ach ja? Wen meinen Sie genau? William Herondale« – purer Hass tropfte von jeder Silbe dieses Namens, die Tatianas Mund formte – »hat mich verhöhnt, weil ich bloß schreien konnte, als mein Liebster starb. Aber sagen Sie mir: Was hätte ich stattdessen tun sollen? Was hat man mir schon anderes beigebracht?« Tatiana hatte ihre giftgrünen Augen weit aufgerissen, in denen genug Schmerz für eine ganze Welt stand, genug, um eine Seele vollständig zu verschlingen. »Können Sie mir das sagen, Hexenmeister? Könnte William Herondale es mir sagen? Kann irgendwer mir sagen, was ich hätte tun sollen, wo ich doch alles getan habe, worum man mich gebeten hat? Mein Mann ist tot, mein Vater ist tot, ich habe meine Brüder und mein Zuhause verloren und die Nephilim hatten nicht die Macht, meinen Sohn zu retten. Ich habe alles getan, was man von mir erwartet hat, und zum Dank dafür ist mein Leben zu Asche verbrannt. Kommen Sie also bloß nicht auf die Idee, mir meinen Schmerz nehmen zu wollen. Mein Schmerz ist alles, was ich noch habe.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher