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Tine

Tine

Titel: Tine
Autoren: Frieda Lamberti
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liebt und sich auf unser Kind freut? Ganz einfach, weil das hier kein Hollywood Film ist, sondern mein reales Leben.
   »Los, steig aus, Doc. Das ist jetzt mein Platz«, lacht Gernot und öffnet die Beifahrertür. Irritiert über diese Aussage folgt Ansgar seiner Bitte und schaut ungläubig dabei zu, wie ich mit Küsschen und den Worten »Tut mir leid, Schnecke. Wartest du schon lange?«, begrüßt werde. Obwohl ich völlig überrumpelt bin, reagiere ich souverän und sage »Vielleicht fünf Minuten. Also, können wir? Tschüss Ansgar.«

Mein Herz rast während der Fahrt zum Lokal und meine Gefühle spielen verrückt. Das unerwartete Zusammentreffen mit dem Vater meines ungeborenen Kindes hat mich völlig aus der Bahn geworfen.
   »Warum hast du das gemacht?«
   »Was gemacht?«
   »Mich geküsst und gesagt, dass du jetzt seinen Platz eingenommen hast.«
   »Du bekommst doch zur Begrüßung immer einen Kuss von mir.«
   »Ja, auf die Wange, aber doch nicht...«
   »Worüber regst du dich auf? Darf dein blöder Doc nicht sehen, dass sich auch andere Männer für dich interessieren? Er hatte seine Chance und er hat sie nicht genutzt. Ich habe kein Problem damit, dass du ein Kind erwartest. Ganz im Gegenteil. Ich mag Kinder.«
   »Ich suche keinen Ersatzvater und auch keinen neuen Mann an meiner Seite. Also lass das künftig!«
»Du hoffst tatsächlich noch immer, dass Ansgar sich besinnt und sich zu dir und dem Baby bekennt? Tine, du bist eine Träumerin.«
   »Was weißt du denn?«
   »Zum Beispiel, dass er schon längst eine Neue hat. Der dicke Hesse hat sie in Frankfurt zusammen gesehen.«
   »Und er hatte nichts besseres zu tun, als es dir gleich auf die Nase zu binden?«
Ich fahre rechts ran und sage, dass mir die Lust auf ein Abendessen vergangen ist. Die Nachricht über meine Nachfolgerin hat mir nicht nur den Appetit genommen, sondern mir mit aller Macht den Boden unter den Füßen weggezogen. Ziellos fahre ich durch die Stadt, als mein Handy klingelt und Jette mir vorschlägt, zu ihr zu kommen. Wie immer leiht meine Freundin mir ihr Ohr. Sie ist eine gute Zuhörerin, allerdings ihre Ratschläge kann man vergessen.
   »Ziehe endlich einen Schlussstrich unter das Kapitel Ansgar Wickert. Er ist ein kompletter Idiot.«
Ich erhalte das Angebot bei ihr zu schlafen. Jette gähnt schon zum dritten Mal und macht deutlich, dass sie langsam ins Bett will. Es ist schon nach ein Uhr nachts und ich mache mich auf den Weg in mein einsames Loft. Als ich den Wagen mit einem Druck auf den Schlüssel schließe, wird durch das kurze Aufleuchten der Blinker eine Gestalt im Dunkeln sichtbar. Erst als er zu mir spricht, erkenne ich ihn.
   »Das war aber ein langes Abendessen!«
   »Ansgar! Willst du mich zu Tode erschrecken?«
   »Ich will dir nur eine Frage stellen. Seit wann geht das mit dir und Gernot?«
Ich zeige ihm einen Vogel und gehe zur Haustür.
   »Was hat er gemeint, als er sagte, dass es jetzt sein Platz wäre.«
   »Vermutlich meinte er, dass er mir tatkräftig zur Seite stand, während du dich verdrückt hast.«
   »Mehr nicht? Sag, schon! Ich habe ein Recht, es zu erfahren!«
Jetzt werde ich richtig wütend. Was erlaubt er sich? Über sechshundert Kilometer weit entfernt turtelt er mit seiner Neuen herum und stellt mich hier in der Nacht einem Verhör?
   »Dein Recht? Dein Recht hast du längst verspielt. Also, schleich dich, bevor ich dir an die Gurgel gehe. Ich bin hochgradig hormongesteuert und würde vor jedem Gericht mildernde Umstände bekommen!«

Wut oder Trauer? Ich entscheide mich für Wut. Wenn Ansgar Wickert nur ein Betthäschen gesucht hat, eine Frau, die sich mit seiner halbherzigen Liebe zufrieden gibt, dann war er bei mir eindeutig falsch. Ja, ich will das volle Programm. Alles andere ist Mist. Vermutlich hatte meine verstorbene Mutter Recht, als sie mir einmal sagte, dass es bedingungslose Liebe nur zwischen Mutter und Kind geben kann. Alles verzeihen können und unermessliches Urvertrauen haben, widerfährt einem nur in der Liebe zum eigenen Kind. Ich streiche über meinen dicken Bauch und sage »Ja, mein Mädchen. Genau das werde ich dir entgegenbringen. Du wirst so viel davon bekommen, dass du deinen Vater nicht einen Tag lang vermissen wirst.«
    Noch eine Woche bis zum Stichtag. Meine Nervosität steigert sich ins Unermessliche. Trotzdem gönne ich mir keine Pause. Noch drei Sessel und dann gehe ich in meinen
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