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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen
Autoren: James Krüss
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ich übersetzen mußte):
    »Warum Gewinn? Woher soll der denn kommen für so viele?
    Warum nicht einfach auf ein menschenwürdiges Leben? Wenn jeder Mensch Gewinne machen sollte, Baron, dann müßten wir ja andere Sterne plündern.«
    »Aber Gewinn schafft Fortschritt«, sagte der Baron, worauf fast alle an der Tafel lachten. Doch sagte Timm einlenkend, weil das Lachen den Baron verstörte: »Gewiß, Gewinn kann Fortschritt schaffen, aber er muß es nicht, Baron. Sie kennen ja die Sitte alter Völker, Besitz vor aller Augen zu verbrennen oder Besitz mit in das Grab zu geben. Man fürchtete, er könne sich vermehren – zu Lasten vieler und zugunsten eines Menschen oder eines Hauses. Man fürchtete, üble Geschäfte könnten draus entstehen.«
    »Alles, was Menschen tun, dient den Geschäften«, sagte der Baron.
    »Alle Geschäfte aber sollten nur dem Menschen dienen«, sagte Timm, »damit er frei und freundlich bleiben kann.«
    »Aber verkaufen ist nun einmal nicht verschenken«, sagte der Baron. »Verschenken und ein bißchen freundlich tun kann jeder. Verkaufen aber, das ist eine harte Sache, von der nicht jedermann etwas versteht. Wer’s aber versteht, der kann verkaufen, was er will.«
    »Ja«, sagte Timm, »sogar die Menschenliebe. Und daß Sie die verkauft haben, Baron, das nehme ich Ihnen und
    Ihresgleichen übel.«
    Nach diesem Vorwurf Timms, den er mit lauter Stimme
    vorgetragen hatte, gab’s ein bedenkliches Kopf schütteln an der Tafel und manch beschwichtigendes: »Aber, aber!«
    »Schütten Sie nicht das Kind gleich mit dem Bade aus, Herr Thaler!« rief’s von dem einen Ende der Tafel, und von dem anderen Ende rief’s: »Verteufeln Sie etwa das Geld?«
    Der Baron aber sagte: »Nichts ist so wirklich wie das Geld, Herr Thaler.«
    »Doch mit dem Menschen endet seine Zeit, Baron«, sagte Herr Potirtsch. »Gesetzt den Fall, die Menschheit würde durch Atomkraft in die Luft geblasen, dann wäre alles Geld ganz ohne Sinn. Und all die wunderlichen Ausgedachtheiten der Menschheit, das Einmaleins, das Alphabet, Götter und Teufel, dazu die Währungen und auch die Wörter, das, was nicht ist, weil man’s nicht fassen kann, und was doch ist, weil’s unser Leben regelt, zerfetzte mit und stiebe echolos ins All.«
    »Aber was hat das mit dem Geld zu tun?« fragte Krescho verwirrt.
    »Auch Geld ist nur Vermittelndes, mein Junge. Es ist nur wirklich, wenn es auch gedeckt ist, und ohne Deckung wertloses Papier. Wer Geld für einen Wert an sich hält, irrt sich. Er weiß meist mit der Wirklichkeit auch gar nichts anzufangen. Ihm sind die Bäume nichts, wenn sie nicht Ware werden, in ihren Früchten oder ihrem Holz. Ihm sind die Menschen nichts, wenn sie nicht Käufer werden. Er liebt das Flüchtige, das Hin und Her. Er hat keine Schwere. «
    »Ach so«, sagte Krescho, obwohl er, wie mir schien, nicht viel verstanden hatte.
    Der Baron aber sagte, während er aus einem Hummerbein das Fleisch langsam herauszog: »Was uns Herr Potirtsch vorgetragen hat, ist die verkehrte Welt.«
    Es hörte sich fast heiter an, als der Baron das sagte. Jedoch von diesem Augenblick an war er wieder, wie zuvor beim Frühstück, unausstehlich und gereizt. Kein Trinkspruch kam mehr über seine Lippen. Auf das, was um ihn herum geredet wurde, ging er kaum noch ein. Und als zum Schluß noch einmal auf Venedig und die schnellen Schiffe angestoßen wurde, nahm er sein Glas so in die Hand, daß es beim Anstoßen nicht tönte.
    »Hoffen wir, daß er nachher beim Segeln weniger gereizt ist«, flüsterte Timm mir zu.
    Aber die Hoffnung Timms war leider nicht erfüllbar. Wir kamen nämlich nicht zum Segeln. Als wir die Yacht wieder betraten, stellte sich heraus, daß die zwei einzigen Mitglieder der Besatzung, die ein Segelpatent besaßen, die Brüder Frane und Schane, von Bord geflüchtet und schon unterwegs zu ihrer Heimatinsel Silba waren. Sie hatten beim Baron nur
    angeheuert, um schnell und billig mit der Yacht nach Haus zu kommen.
    Die Gereiztheit des Barons, als wir wieder die Adria überquerten – und wieder ohne Segel –, war unbeschreiblich.
    Der schöne Plan, den er beim Frühstück vorgetragen hatte, war gescheitert: Von Segeln war an diesem Tage keine Rede; die alte Mannschaft seiner Yacht war nicht zur Hand; von der Ersatzmannschaft waren zwei Mann geflüchtet; und das versprochene Mittagessen hatten wir zwar eingenommen, aber die Reden an der Tafel hatten den Baron verstört.
    Nun hofften wir, daß wir zumindest den Kaffee in
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