Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler
Autoren: James Krüss
Vom Netzwerk:
zum Bäcker. („Hintenrum! Dreimal klopfen!
    Sag, ‘s is wichtig!“)
    Er kümmerte sich auch nicht um das brummige Gesicht der
    Bäckersfrau. („Scher dich nicht um ihr Grunzen! Laß dich nicht ohne Kuchen wegschicken! Bleib bei dem alten Brummpott stehen, bisse
    dir was gibt!“)
    Und er richtete die Bestellung seiner Stiefmutter genau aus.
    („Sechs Bienenstich! Keine zweite Ware! Nur vom Besten! Sag ihr
    das!“)
    Leider bekam er von der Bäckersfrau eine Antwort, auf die seine
    Stiefmutter ihn nicht vorbereitet hatte. Frau Bebber – so hieß die Bäckersfrau – sagte nämlich: „Erst muß die alte Rechnung bezahlt
    werden, ehe ich wieder anschreibe! Kannste zu Hause bestellen! Wer sich’s nicht leisten kann, soll keinen Kuchen kaufen! Sag das ruhig!
    Für Sechsundzwanzig Mark Kuchen! Möcht’ wissen, wer die alle
    frißt! So viel Kuchen kaufen nicht mal die Präsidents vom
    Wasserwerk! Und die mögen Kuchen, das kann ich dir flüstern, mein Junge!“
    Timm stand einen Augenblick stumm vor Staunen. Er bekam
    wohl hin und wieder eine Zuckerbrezel oder ein halbes Stück
    Bienenstich von der Mutter, aber für sechsundzwanzig Mark
    Kuchen: Das waren ja ganze Kuchenberge! Sollte die Stiefmutter
    heimlich Kuchen essen, wenn die Nachbarin zum Kaffee kam? Er
    wußte, daß die Frauen oft zusammenhockten, wenn Erwin und er in
    der Schule waren. Oder sollte Erwin der gute Kuchenkunde sein?
    „Hat mein Bruder den Kuchen anschreiben lassen?“ fragte Timm.
    „Der ist mit beim Konto“, schnaufte Frau Bebber. „Aber
    hauptsächlich sind es die Frühstückskuchen von deiner Mutter. Oder Stiefmutter ist sie ja wohl. Weißte wohl gar nichts von, was?“
    „Doch, doch“, versicherte Timm rasch. „Das weiß ich natürlich!“
    Aber in Wirklichkeit wußte er gar nichts. Es empörte ihn nicht; es machte ihn auch nicht zornig; es machte ihn nur traurig, weil dieses Kuchenschlecken so heimlich und hinter dem Rücken geschah und
    weil dabei Schulden gemacht wurden.
    „So“, sagte Frau Bebber abschließend, „und jetzt gehste ohne
    Kuchen nach Haus und bestellst, was ich dir gesagt habe. Klar?“
    Timm blieb eisern stehen. („Scher dich nicht um ihr Grunzen!
    Laß dich nicht ohne Kuchen wegschicken! Bleib bei dem alten
    Brummpott stehen, bisse dir was gibt!“)
    Er sagte: „Heute ist doch der Tag, an dem mein Vater meine
    Mutter, ich meine, meine Stiefmutter, geheiratet hat. Und
    außerdem…“ Plötzlich dachte Timm an das Geschäft mit dem
    karierten Herrn und an die Rennbahn und an die Wetten. Er fuhr
    schnell fort: „Außerdem, Frau Bebber, bringe ich Ihnen das Geld
    heute abend; und das Geld für die Bienenstiche, die Sie mir jetzt geben, kriegen Sie auch! Ganz bestimmt!“
    „Du willst mir das Geld bringen?“
    Frau Bebber zögerte, aber irgend etwas im Ton des Jungen schien
    ihr zu sagen, daß sie mit dem Geld rechnen könne, wenigstens
    teilweise.
    Sicherheitshalber fragte sie: „Woher willst du das Geld nehmen?“
    Timm machte ein finsteres Gesicht wie die Räuber auf dem
    Theater und sagte mit möglichst tiefer Stimme: „Ich klau es mir,
    Frau Bebber! Bei Präsidents vom Wasserwerk!“
    Der Junge spielte den Räuber so überzeugend, daß Frau Bebber
    lachte, weich wurde, und kurz und gut: Er bekam seine sechs
    Bienenstiche und einen siebten dazu, der nicht berechnet wurde.
    Die Stiefmutter stand in der Tür, als Timm mit dem Kuchen kam.
    Sie wirkte noch immer (oder schon wieder?) aufgeregt und plapperte ohne Punkt und Komma: „Ich hättelieber selbergehensollen,
    hatsiewas gesagtwegen Anschreibenoderso? Sind die Bienenstiche
    inordnung, warum sagstedenn nichts?“
    Timm hätte sich lieber die Zunge abgebissen als seine
    Unterhaltung mit Frau Bebber wiedergegeben. Außerdem mußte er
    zur Rennbahn, und Aufregungen und Auseinandersetzungen mit der
    Stiefmutter brauchten ihre Zeit. So sagte er nur: „Sie hat mir einen Bienenstich umsonst gegeben. Darf ich spielen geh’n, Mutt?“ (Das
    Wort „Mutter“ brachte er der Stiefmutter gegenüber nie über die
    Lippen.)
    Ungewöhnlich schnell gab sie ihm die Erlaubnis fortzugehen. Sie
    gab ihm sogar einen Bienenstich mit auf den Weg. („Wenn Frauen
    zusammen reden, langweilste dich ja doch nur. Geh ruhig spielen,
    aber komm zeitig nach Haus. Sechse genügt.“)
    Timm rannte, so schnell er konnte, zur Pferderennbahn und
    futterte unterwegs sogar den Bienenstich, wobei höchstens drei
    Kleckse Füllung herunterplumpsten; einer allerdings auf die
    dunkelblaue
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher