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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler
Autoren: James Krüss
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Lupe. Das haben wir als
    Schulmädchen nämlich tagelang geübt. Da war ich immer perfekt in.
    Hab mal’n ganzen Roman auf die zwei Seit’n von ein’ Briefbogen
    gekritzelt. Wirklich wahr!“
    „Ischa nich möööglich!“ lachte Timm.
    „Ach, du nimmst mich ja nich ernst, du Bengel!“
    Es läutete an der Haustür, und Frau Rickert bat Timm,
    nachzusehen, wer es sei. Es war der rothaarige Page des Hotels, der schwitzend zwischen sieben Koffern stand.
    „Ich soll Ihnen Ihre Sachen bringen, Herr Thaler!“ grinste er.
    „Gestern haben Sie mich noch Mister Brown genannt. Woher
    wissen Sie heute, wer ich bin?“
    Wieder ein Grinsen: „Sie lesen wohl keine Zeitungen?“
    „Ach so!“ Timm war etwas verwirrt. Dann wollte er in die Tasche
    greifen. Aber der Rotschopf winkte ab. „Behalten Sie ruhig Ihre
    Kröten für sich, Herr Thaler! Ich kann von der Zeitung ‘n Batzen
    Geld kriegen, wenn ich erzähl’, wie ich gestern abend den Detektiv weggeködert hab’. Darf ich?“
    Timm mußte lachen. „Tu, was du nicht lassen kannst!“
    „Verbindlichsten Dank! Soll ich die Koffer noch reintragen?“
    „Danke! Das mach’ ich schon! Erzähl der Zeitung aber keine
    Hintertreppenromane!“
    „Ist ja gar nicht nötig. Die Sache war auch so spannend genug.“
    Er streckte wieder die Hand hin. „Weiterbin viel Glück, Timm!“
    „Danke! Viel Glück bei der Zeitung!“
    Zwischen den sanften steinernen Löwen gaben zwei lachende
    Bengel einander die Hand. Dann brauste der Rotschopf in einem
    Wagen des Hotels wieder davon, und Timm trug die Koffer ins
    Haus.
    Noch am selben Tage begab sich Timm mit Jonny, Kreschimir
    und Herrn Rickert zu einem Notar, mit dem die alte Frau Rickert
    befreundet war. Dort wurde die Reederei Hamburg-Helgoland-
    Gästedienst, genannt HHD, zu gleichen Teilen Jonny, Kreschimir
    und Herrn Rickert überschrieben. Zwar war die Überschreibung
    nicht sogleich rechtskräftig, weil noch eine Menge anderer
    Formalitäten notwendig waren (Timm war nicht mehr der
    millionenschwere Erbe); aber in spätestens vierzehn Tagen, sagte der Notar, sei alles erledigt.
    Timms Freunde hatten sich zuerst mächtig gesträubt gegen diese
    Schenkung; aber als Timm erklärte, dann werde er die Reederei eben jemand anders schenken, gaben sie nach. Und gar nicht einmal so
    ungern. Herr Rickert war noch frisch und kräftig genug, um das
    Kontor des alten Herrn Denker an der Brücke sechs zu übernehmen;
    und Jonny und Kreschimir waren auf eigenen Dampf ern doppelt so
    gern Steuermann und Steward wie auf fremden.
    Als die vier das Notariat verließen (es lag in der Nähe des
    Hauptbahnhofs), fragte Jonny: „Was willst du denn jetzt anfangen, Timm?“
    Der Junge zeigte nach rechts: „In dem alten Haus dort gibt es ein Marionettentheater. Es gehört mir. Ich werde daraus ein
    Wandertheater machen.“
    „Dazu brauchst du einen Omnibus“, sagte Kreschimir.
    „Und eine transportable Bühne“, ergänzte Jonny.
    „Und das“, schloß Herr Rickert, „bezahlen wir dir, mein Junge!
    Keine Widerrede! Sonst hast du die Reederei wieder am Hals!“
    „Angenommen!“ lachte Timm. Ernst fügte er hinzu: „Wie gut für
    mich, daß es euch drei gibt!“
    „Und Selek Bei“, sagte Herr Rickert.
    „Ja“, bestätigte Timm. „Und Selek Bei. Ich sollte ihm eigentlich
    ein Telegramm schicken.“ Und das tat er.
    Der alte Mann in Mesopotamien lächelte, als er es las:

    zum teufel mit der margarine stop lachen bekommt man gratis
    stop ich habe es bekommen stop für mithilfe dankt herzlich ihr timm thaler

    An diesem Tage ging eine Geschichte zu Ende, die in den
    Berichten der Zeitungen erst begann (soweit die Journalisten sie
    begriffen; und die meisten begriffen sie nicht).
    Herr Rickert wurde wieder Reedereidirektor, Jonny Steuermann
    und Kreschimir Steward.
    Vom Baron Lefuet hört man nur noch selten. Er soll die meiste
    Zeit allein und grämlich auf seinem Schloß in Mesopotamien
    verbringen. Er scheint menschenscheu geworden zu sein; aber noch
    macht er glänzende Geschäfte.
    Die Nachrichten über Timm sind spärlich. Sicher ist, daß er sich
    mit der alten Frau Rickert zusammen ein Marionettenspiel
    ausdachte, welches „Das verkaufte Lachen“ hieß. Danach
    verschwand er aus Hamburg; und kein Reporter erfuhr jemals, wohin es ihn verschlagen hat.
    Aber es gibt noch zwei Spuren Timms. Auf dem Friedhof einer
    mitteldeutschen Großstadt wurde zu Füßen eines Marmorgrabsteins
    ein Kranz niedergelegt, auf dessen Schleife man
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