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Timm Thaler

Timm Thaler

Titel: Timm Thaler
Autoren: James Krüss
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Rollkragenpullover und eine Schirmmütze.
    Das Mädchen – wahrscheinlich las sie Groschenromane – fand
    den geheimnisvollen Auftrag prickelnd und spannend. Sie sagte, sie habe einen Verehrer bei der christlichen Seefahrt, den sie um acht Uhr treffen werde. Von dem könne sie die Sachen bekommen.
    „Gut“, sagte Timm. „Dann wickeln Sie die Sachen in frische
    Bettwäsche und bringen Sie sie bis neun Uhr zu mir!“
    „Aber Mister Brown“, sagte das Mädchen (Lefuet und Timm
    waren ja als Vater und Sohn Brown hier abgestiegen), „um neun Uhr wechseln wir doch keine Bettwäsche! Höchstens ein Badetuch!“
    „Also dann tun Sie die Sachen meinetwegen in ein Badetuch.
    Hauptsache, ich bekomme sie.“
    „Aber was soll ich dem Herrn draußen sagen, Mister Brown?“
    „Welchem Herrn?“ fragte Timm.
    „Dem, der mir hundert Mark gegeben hat, damit ich ausspioniere,
    was Sie tun!“
    „Ah, der Herr Detektiv! Sagen Sie ihm, daß ich jetzt eine
    Kopfschmerztablette verlangt hätte und daß Sie mich auf die
    Tabletten im Badezimmer aufmerksam gemacht hätten.“
    „Ist gut, Mister Brown!“
    „Und noch etwas: Wenn Sie heute abend um neun Uhr kommen,
    sind Sie wohl außer Dienst?“
    „Ja.“
    „Könnten Sie dann für kurze Zeit Ihre Dienstkleidung wieder
    anziehen?“
    „Das hätte ich sowieso getan, Mister Brown. Ich habe eine zu
    Haus. Die ziehe ich unter dem Mantel an. Und über das Häubchen
    binde ich ein Kopftuch. Dann brauche ich mich hier nicht groß
    umzuziehen.“
    „Ausgezeichnet“, sagte Timm mit zwei deutlichen Kringeln in
    den Mundwinkeln. „Dann kann ich also bestimmt mit Ihnen
    rechnen?“
    „Ganz bestimmt, Mister Brown. Und – kann ich auch ganz
    bestimmt mit dem Geld rechnen?“
    „Sie können es jetzt schon haben!“ Der junge Mann entnahm
    seiner Brieftasche drei Hundertmarkscheine und gab sie ihr.
    „Sie sind aber leichtsinnig!“ lachte das Mädchen. „So was zahlt
    man doch nicht im voraus. Na, ich werde Sie nicht enttäuschen.
    Danke schön einstweilen! Und tschüs solang!“
    „Bis neun!“ sagte Timm. Dann schloß er ab und legte sich nieder.
    Wenn er auch nicht schlafen konnte, wollte er doch wenigstens den Körper ausruhen lassen.
    Kurz nach neun Uhr kam das Zimmermädchen wie verabredet.
    Mit schwarzem kunstseidenem Kittel und weißem Häubchen. Das
    Badetuch trug sie vor der Brust.
    „Der Herr hat mich gefragt, was ich bei Ihnen will“, flüsterte sie.
    „Ich habe gesagt, Sie hätten heute nachmittag für neun Uhr ein
    frisches Badetuch bestellt.“
    „Nett von Ihnen“, erwiderte Timm möglichst laut. Dann flüsterte
    er: „Grüßen Sie Ihren Verehrer von der christ«liehen Seefahrt!“
    Diesmal antwortete das Mädchen laut: „Danke, Mister Brown!
    Herzlichen Dank!“ Dann verließ sie das Appartement und blinzelte
    Timm unter der Tür noch einmal zu. Der junge Mann blinzelte
    zurück.
    Der Verehrer des Fräuleins hatte zum Glück nicht die Ausmaße
    Jonnys. Er schien ein kleines bißchen größer als Timm zu sein; aber die Hose ließ sich durch Träger heraufziehen, und bei Pullovern ist ein lockerer Sitz ja nicht weiter schlimm.
    Im Spiegel kannte Timm sich – vor allem mit der Schirmmutze –
    kaum selbst wieder. Nur die zarte Haut seines Gesichts verriet ihn.
    Also wurde auch das geändert: Er rieb sich die Wangen mit dem
    Bimsstein ein, der im Badezimmer lag, und schmierte danach Erde
    aus einem Blumentopf darüber. Dann wusch er das Ganze ab und
    machte das gleiche noch einmal. Und dann noch einmal und noch
    einmal. Das Ergebnis war zufriedenstellend: Timm Thalers Gesicht
    sah aus, als habe er gerade die Masern überstanden. Von Kopf bis
    Fuß roch der ganze Timm förmlich nach christlicher Seefahrt.
    Jetzt mußte er genau überlegen, was er mitnehmen sollte; denn
    vermutlich würde er ja in dieses Appartement nicht zurückkehren. Er wußte, daß mit seinem wiedergefundenen Lachen die Rolle des
    reichen Erben ausgespielt war; aber das bedrückte ihn nicht. Was
    also mitnehmen?
    Er entschloß sich, nur ein paar Papiere mitzunehmen, sonst nichts: seinen Paß, den Vertrag über das verkaufte Lachen, den Vertrag über den Kauf der Reederei HHD, den dritten Vertrag über den Erwerb
    des Marionettentheaters und den winzigen geheimnisvollen Zettel
    mit der Kritzelschrift. Diese fünf Schriftstücke steckte Timm,
    säuberlich gefaltet, in eine geräumige Hintertasche der
    Seemannshose, die er sorgfältig zuknöpfte.
    Timm war für die wichtigste Unternehmung seines
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