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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch
Autoren: Stefanie de Velasco
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hinein. Sie zieht an ihrer Kippe und bläst den Rauch zur Seite raus. Ich nehme ihr die Kippe aus der Hand und rauche.
    Wieso haben wir uns denn sonst umgezogen?
    Jameelah muss grinsen.
    Na gut, sagt sie, du hast es nicht anders gewollt.
    Ach, red doch nicht immer wie die Struck.
    Ich gebe ihr die Kippe zurück, und Jameelah sagt noch, aber heute mache ich das Gummi drauf, das rote, dann springen wir gemeinsam die Treppen runter, immer zwei Stufen auf einmal, runter auf die Kurfürsten.
     
     
    Auf der Kurfürsten ist jede Menge los, wie immer. Alle hetzen von einem Geschäft ins nächste. Den Leuten auf der Kurfürsten hängt immer ein bisschen Thunfischsalat oder Ketchup im Mundwinkel. Auf drei Geschäfte kommt nämlich eine Fressbude, ich habe mal abgezählt. Karstadt, Dunkin Donuts, Apollo Optik, C&A, McPaper, Subway, Peek&Cloppenburg, Pimkie, Dänisches Bettenlager, dann Nordsee und so weiter. Je weiter man die Kurfürsten runtergeht, desto billiger wird es, da sind dann der Handy King, Zeeman und McGeiz, und über den Geschäften sind meistens türkische Hochzeitsgeschäfte oder Nagelstudios. Direkt gegenüber von Krieger Baby fangen die Frauen an zu stehen.
    Ich hab Hunger. Hast du Gold?
    Nee, nicht wirklich.
    Wir kaufen uns von unseren letzten Cents beim Ein-Euro-Shop Yum Yum, kauen so vor uns hin und schlendern ganz cool und pomade die Straße runter. Auf dem letzten Stück sind kaum noch Geschäfte, nur noch Sex-Kinos und Dönerbuden. Hier stehen jede Menge Frauen rum, sie tragen aber keine Ringelstrümpfe, sondern glänzende Leggings oder Lederröcke mit Schnüren, die an den Seiten runterhängen.
    Zum Anbeißen, hat Jameelah das letzte Mal gemeint, weil die Schnüre an den Röcken genauso aussehen wie ausgerollte Haribolakritzschnecken. Ich weiß nicht, ob ich das so lustig finde.
    Manchmal stehen auch Mädchen hier, die sind so alt wie wir. Eine von denen kommt mir bekannt vor, keine Ahnung, woher. Sie hat einen von den Röcken mit den Lakritzschnüren an, Ringelstrümpfe, und obenrum ein Spaghettitop. An einer Leine, die halb im Gully hängt und sich langsam mit Pfützenwasser vollsaugt, hält sie einen riesigen schwarzen Hund. Der Hund trägt ein rotes Halstuch statt einem Halsband, sein Maul steht offen, und ich glaube, wenn er sprechen könnte, würde er uns um ein paar Cent anhauen. Das Mädchen sitzt auf dem Bürgersteig, kramt in ihrem Bundeswehrrucksack und schaut uns misstrauisch an. Ihre Augen sind dunkel geschminkt, und die schwarz gefärbten Haare hat sie sich zum Mittelscheitel gezogen. Ihre Arme sind voller Schorf. Ich lasse die letzten Yum-Yum-Krümel in meinen Mund rieseln, da hält Jameelah mich am T-Shirt fest. Ein Auto biegt um die Ecke, das Mädchen mit den schwarzen Haaren springt hastig auf und zieht ihren Hund von der Straße. Der Fahrer beugt sich aus dem Fenster und schaut grinsend zu uns rüber, er hat ein ganz rotes Gesicht. Jameelah zeigt ihm den Mittelfinger, aber das Mädchen rennt dem Auto hinterher und verschwindet zusammen mit dem Hund auf dem Rücksitz.
    Scheiße, denke ich und schaue auf den Boden. Der Bürgersteig ist voller Kaugummiflecken.
    Gib mir mal den Tobak.
    Jameelah greift in ihre Jackentasche, dabei winkelt sie einen Fuß ab und stützt ihn gegen die Häuserwand. Ich grinse, jetzt sehen wir echt genauso aus wie die Frauen hier. Jameelah zwinkert mir zu und zeigt auf einen Typen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite neben einer Litfaßsäule steht und zu uns rüberschaut. Er ist groß und dünn, hat enge Jeans an und eine von diesen beknackten Hornbrillen auf. Irgendwie ist er schon süß, aber ich glaube kaum, dass der wegen uns hier ist.
    Ich schüttle den Kopf.
    Wetten, sagt Jameelah, wetten, dass er rüberkommt.
    Sie winkt ihm zu, ich kann sehen, wie er die Augenbrauen hebt, einen kurzen Moment zögert und dann mit einem verlegenen Grinsen die Straße überquert.
    Der, frage ich.
    Jameelah nickt, ohne den Blick von dem Kerl abzuwenden.
    Jetzt pass mal auf, flüstert sie.
     
     
    Als der Kerl immer näher kommt, wird mir ein bisschen komisch. Das ist aber normal, am Anfang wird einem immer ein bisschen komisch, das ist jedes Mal so, das gehört dazu. Jameelah nimmt meine Hand, wir schlendern ihm entgegen.
    Na, sagt Jameelah.
    Der Kerl blickt uns von oben bis unten an und grinst.
    Was glotzt du denn so, sagt Jameelah.
    Ich glotz doch gar nicht, sagt der Typ.
    Er ist doch schon ganz schön alt, bestimmt dreißig. Von Weitem sah er jünger aus,
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