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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch
Autoren: Stefanie de Velasco
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wegen den Klamotten. Er hat kaum noch Haare auf dem Kopf, nur fiesen Flaum über den Ohren.
    Achte, neunte Stunde Ethik ist ausgefallen, sagt Jameelah.
    Ach so, sagt der Typ, und jetzt?
    Ich bin Stella Stardust, sagt Jameelah, und das hier ist meine Freundin Sophia Saturna. Du hast bestimmt eine Wohnung mit Dielen und Stuck und so Kram, was. Und ohne Ende Schallplatten. Bist doch bestimmt so einer, der sich noch Schallplatten kauft, was.
    Schallplatten nicht, aber CD s, antwortet der Typ und lässt seine Hände in den Hosentaschen verschwinden, wisst ihr denn überhaupt noch, was CD s sind?
    Nee, wir sind lebende MP 3-Player, weißt du, am Abend stöpseln wir uns so matrixmäßig in eine Art überdimensionalen USB -Stick ein. Der liegt auf unserem Nachttisch, gleich neben den Bibi-Blocksberg-Kassetten, und die Musik, die wird dann durch diesen Stick automatisch auf eine interne Festplatte gespielt, genauso wie alles andere, Hausaufgaben, Telefonnummern, Französischvokabeln, alles.
    Der Typ starrt Jameelah an und lacht laut los.
    Was ist denn daran komisch, fragt Jameelah, dabei sieht sie aus, als müsste sie selber gleich loslachen.
    Kopfschüttelnd glotzt er uns an, als würde er gerade einen spannenden Film sehen. Für einen kurzen Moment denke ich, dass er den ganzen Schwachsinn, den Jameelah da verzapft, tatsächlich glaubt. Glauben ist, wenn man will, dass Sachen stimmen, von denen man eigentlich weiß, dass sie unmöglich sind. Und der da ist so einer, der will alles glauben, weil er sich den ganzen Tag mit stinklangweiligem Zeugs beschäftigen muss, mit E-Mails und Zahlen und Kunden, sicher muss er Kundengespräche führen, tausendmal am Tag rennt er zum Kopierer, und zwischendurch, da fragt er sich, warum er das alles eigentlich macht. Denn er will sich viel lieber von uns die Hucke volllügen lassen.
    Was muss ich denn machen, um mir diesen Eingang mal anzuschauen, fragt der Typ und verschränkt die Arme vor der Brust.
    Kostet hundert Euro, sage ich.
    Jameelah zwinkert mich an und lässt den Blick zu ihrer linken Hand wandern. Mit Daumen und Zeigefinger formt sie einen Kreis.
    Eigentlich mache ich so was nie, sagt er, als wir auf den Rücksitz seines Autos kriechen, das im Parkhaus steht.
    Eigentlich machen wir so was auch nie, sagt Jameelah und kichert laut. Sie schmeißt einen Haufen glänzender Magazine vom Sitz auf meinen Schoß.
    Bist du reich, frage ich.
    Der Typ lacht.
    Nein, nicht wirklich, sagt er und dreht den Spiegel an der Windschutzscheibe zurecht, damit er uns besser sehen kann.
    Nicht wirklich gibt es nicht. Reich oder nicht?
    Darüber rede ich nicht, sagt der Typ und kommt sich dabei ziemlich cool und pomade vor.
    Jameelah schaut mich an und verdreht die Augen.
    Was für ein Frosch, flüstert sie.
     
     
    Die Wohnung ist echt Wolke, genau, wie wir es uns gedacht haben, riesengroß, überall stehen schöne Möbel, sehen aus wie von Ikea, nur teurer, nirgends liegt Staub, der hat bestimmt eine Putzfrau, denke ich.
    Wollt ihr ein Eis, fragt der Typ.
    Ich mag kein Eis, sage ich, dabei stimmt das gar nicht.
    Genau, wir mögen kein Eis, sagt Jameelah und öffnet ihren Rucksack, wo ist denn hier die Küche, fragt sie, und hast du überhaupt Milch?
    Neben dem Bett steht ein großes CD -Regal. Der Typ kauft sich echt noch CD s. Aus der hintersten Ecke höre ich Geschirr klappern, das sind Jameelah und der Typ in der Küche. Jameelah schlittert auf ihren Ringelstrümpfen über die Dielen und kommt vor mir zum Stehen.
    Hey, zischt sie, Sophia Saturna.
    Sie grinst breit, zeigt auf die Seidentücher, die über dem schmiedeeisernen Gitter des Bettes hängen und schaut mich fragend an. Ich nicke, drücke beim CD -Player auf Play, und weil die Musik gut ist, drehe ich die Boxen auf. Jameelah schlittert zurück in Richtung Küche, dabei jauchzt sie auf wie ein Fohlen, das zum ersten Mal über eine Wiese läuft. Ich muss lachen, weil ich weiß, dass das nicht stimmt. Auf einmal wird der ganze Raum in dunkles Licht getaucht. An der Decke dreht sich eine Discokugel, überall tanzen kleine Lichtflecken. Der Typ muss sich in der Küche sein T-Shirt ausgezogen haben, jedenfalls kommt er mit nacktem Oberkörper zurück. Auf seiner Haut drehen die kleinen Lichter ihre Runden, wie freitags bei der Schlittschuhdisco in der Werner-Seelenbinder-Halle. Er hat gar keine Haare auf der Brust, ich wette, er rasiert sich regelmäßig. Er hält mir ein Glas hin und lächelt. Irgendwie sieht er gerade echt nett aus, aber
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