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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
Autoren: Margaux Fragoso
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ihn jedes Jahr neu mit Goldlack an, damit er gut aussieht. Hab ich vom Flohmarkt. Ist antik.« Dann lachte er und fügte hinzu: »So wie ich.«
    Er fuhr fort: »Unser Haus ist nur mit Antiquitäten eingerichtet. Der Herd ist von Bengal , Gasherd mit Gasheizung, 1955 eingebaut. Und wir haben eine alte Badewanne mit Löwenfüßen, so eine richtig tiefe Wanne, die man sonst nirgends mehr findet. Wir haben auch eine ganz große Doppelspüle: Die eine Seite ist für Geschirr, die andere für Wäsche.«
    Ich merkte, dass er aus irgendeinem Grund zögerte, die Holztür im ersten Stock zu öffnen; wie alle Erwachsenen spannte er Kinder gerne auf die Folter. Ich drängte mich zwischen ihn und meine Mutter und sah ihn mit meinem strengsten, doch freundlichen Schmollmund an. »Ähm, wie heißt du noch mal?«
    »Peter, hast du das vergessen?«
    »Peter, kannst du die Tür aufmachen? Bitte!«
    Mit einem honigsüßen Lächeln legte er schnell seine große sanfte Hand über meine Augen. »So, nicht schummeln! Ich nehme gleich ganz schnell meine Hand weg, und dann siehst du etwas ganz Tolles, ja? Versprich mir, dass du nicht schummelst!«
    »Versprochen.«
    Ich hörte, wie die Tür aufging, und versuchte, etwas zu erkennen, sah aber nur das Licht in den Ritzen zwischen seinen Fingern. »Fertig?«
    »Ja!«
    In der Mitte des Zimmers stand ein gläserner Behälter von der Größe eines kleinen Sofas. Darin befanden sich braune Äste, und auf den Ästen saßen Leguane mit Stacheln auf dem Kopf. In einem schmutzigen kleinen Teich lag ein Wels mit schwarzem Schnurrbart. Auf Stangen am Fenster flatterten Sittiche und Finken; der Boden war mit Zeitungspapier ausgelegt, um den Vogeldreck aufzufangen. Überall an den Wänden waren Futterstellen angebracht, unter der Decke hing Spielzeug: zusammengebundene Glöckchen und bunte Steine. Ein großer wolliger Hund kam hechelnd auf mich zu und wollte gestreichelt werden. Ich schob meine Hand in sein langes herbstbuntes Fell, er legte sich voller Wohlbehagen hin und drehte sich auf den Rücken, damit ich seinen weichen weißen Bauch kraulte.
    »Das ist Paws«, sagte Peter. »Er ist der liebste Hund der Welt, halb Golden Retriever, halb Collie.«
    »Ach, das sind so nette Rassen«, sagte meine Mutter und streichelte ihn, obwohl sie eine Allergie hatte.
    Anschließend führte uns Peter in die Küche, in der ein Aquarium mit einer kleinen schwimmenden Scharnierschildkröte stand. »Schildkröten fressen Würmer«, erklärte Peter und zeigte mir graue Würfel, die aus gemahlenen und getrockneten Würmern bestanden. Er nahm das Drahtnetz vom Aquarium, und ich ließ den grauen Würfel hineinfallen und sah zu, wie der flache schrumplige Kopf hervorkam und nach dem Futter schnappte. Das Aquarium der Schildkröte und das Terrarium im Vorderzimmer verströmten einen wilden, scharfen Duft, der sich mit den anderen Gerüchen vermischte: Vogeldreck, Vogelfedern, alte Zeitungen und das Fell des Hundes mit seinem warmen, erdigen Hundedunst. Paws folgte uns überallhin und sah uns unablässig mit seinen feuchten Augen an. Das Vogelgezwitscher gesellte sich zum Klackern der Hundepfoten auf dem Linoleum in der Küche und zum Peitschen der wild gewordenen Rute, die gegen alles schlug, an dem der Hund vorbeikam. Das gesamte Hinterteil von Paws wackelte ohne Unterlass. »Es sieht aus, als würde er tanzen«, sagte ich.
    Wir gingen in das Wohnzimmer, das mit rotem Teppichboden, einem roten Samtsofa und samtgepolsterten Stühlen ausgestattet war, mit roten Vorhängen und drei riesengroßen vollgestopften Bücherregalen. Auf dem Boden stand ein kleiner Drahtkäfig mit einem dicken braun-weißen Hamster, vor dem Fenster schwammen Goldfische – orange, schwarz, gefleckt – in einem Aquarium, das ungefähr halb so groß wie das im Vorderzimmer war. Sie tummelten sich zwischen Wasserpflanzen, einem Steinhaus, einer Meerjungfrau, einer steinernen Kröte und einer Blasen ausstoßenden Windmühle. Links von dem großen Aquarium befand sich ein kleinerer Glaskasten, und mit einem Grinsen führte uns Peter heran und zeigte auf einen kleinen Alligator.
    »Das ist ein Kaiman – halb Alligator, halb Krokodil«, erklärte er, und ich sah, dass das Tier halb so lang wie mein Arm war und nur wenig breiter. Seine Haut war geriffelt, die uralten Augen blinzelten nicht, es war reglos wie eine Steinfigur.
    »Wieso ist der so klein?«, fragte ich.
    »In freier Wildbahn würde er größer werden«, sagte Peter. »Aber hier, in
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