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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Autoren: Christoph Kappel
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Banane.
    Nach diesen Dreharbeiten mussten erst einmal alle leicht zu bedienenden Schließmechanismen in Juniors Box und seinem Paddock durch Sicherheitsverriegelungen ersetzt werden, denn seine Lust war wachgeküsst, alles zu öffnen, was ihm vor das Maul kam. Noch heute nimmt Junior keine Rücksicht auf bunte Blumen in Töpfen, die auf Fensterbänken stehen, um an den Schließmechanismus zu kommen. Die Vermieterin seines Einzimmer-Appartements mit Toilette und Veranda (= Stallbox mit Paddock) weiß ein Lied davon zu singen. Ich dagegen bin stolz auf Junior, ein toller Kerl!
    Und noch eine Szene auf engstem Raum gab es für ihn: Brasil musste auf Anweisung der gutherzigen Direktorin des Internats umziehen, vom Schloss ins Gewächshaus. Die Zwillinge
hatten Frau Theobald alias Hannelore Elsner nämlich gebeichtet, dass sie das Pferd im Schloss versteckt halten. Nach wie vor sprechen wir von einem Fluchttier, deshalb musste Junior das wirklich enge Gewächshaus zuerst in Ruhe kennenlernen. Bevor die Kamera und alle Scheinwerfer an diesem Set aufgebaut wurden, habe ich ihm immer wieder gezeigt, dass nichts passiert, wenn er durch die enge Gasse, in der er sich nicht einmal umdrehen konnte, läuft. Als dann das ganze Filmequipment aufgebaut war, musste er erkennen, dass Kameras nicht beißen, Scheinwerfer keine schrecklichen Monster sind und dass all die Menschen am Drehort ruhig stehen bleiben. Hätten wir das nicht trainiert, wäre die natürliche Wahrnehmung des Pferdes ausschließlich auf »Gefahr« geschaltet und Junior hätte das enge Gewächshaus vor Angst erst gar nicht betreten oder drinnen ein großes Chaos angerichtet. Filmausrüstung ist teuer und meine Versicherungsprämie ebenfalls. Aber nicht mit Junior! Er nahm wohl alles wahr, Menschen, Blumen, Kameras und die sonstigen Filmutensilien, ging aber gelassen daran vorbei und stellte sich wie selbstverständlich in die Ecke, die Frau Theobald für ihn bestimmt hatte. Warum? Nun, der Fokus: Körbe voller Karotten erwarteten Junior dort.
    Am Ende des letzten Drehtages erhielt Junior nach seiner letzten Szene vom Team und seinen Schauspielerkollegen Applaus. Eine schöne Geste, die Schauspielern und manchmal eben auch Filmtieren zuteil wird, wenn sie »abgedreht« sind. Abgedreht bedeutet, die letzte Szene dieser Figur ist im Kasten. Junior war längst auf seiner kleinen Koppel und mampfte Heu, während ich es mir mit ein paar Häppchen vom Catering und einem winzigen Schluck französischen Champagners mit den Damen Elsner und Borsody gut gehen ließ.
    Rosenkrieg
    Zugegeben, ein Tier macht sich mit seiner oft leicht durchschaubaren Fokussierung manipulierbar. Das schadet ihm aber nicht unbedingt, denn es verliert nie den Blick auf das für ihn Wesentliche und bleibt sich treu. Nicht weil es so tugendhaft ist, sondern weil es eine Überlebensstrategie ist, die dem Tier diese Sicht instinktiv gewährt. Und wir Menschen? Wie oft hören wir von Zwistigkeiten unter Nachbarn, Eheleuten oder Liebenden, die nach jahrelangem Kleinkrieg nicht mehr wissen, worum es in diesem Dauerstreit eigentlich geht. Ein Nebenkriegsschauplatz jagt den nächsten und am Ende muss nicht selten ein Gericht entscheiden. Wo haben wir in solchen und anderen Situationen unseren Fokus? Auf dem einmal festgesteckten Ziel? Oder lassen wir uns durch emotionale Nebenschauplätze vom Wesentlichen ablenken?
    Den Fokus auf dem Wesentlichen zu haben bedeutet nicht immer, einen geradlinigen Weg zu gehen. Soll unser Beziehungsstreit in einem Rosenkrieg enden, weil wir uns wie Kinder im Sandkasten gegenseitig mit Plastikschäufelchen auf den Kopf schlagen, um unser Recht zu behaupten? Oder behalten wir das Wesentliche im Visier: glücklich zu sein, eine liebevolle Beziehung zu führen? Trotz emotionaler Hürden in Beziehungen, im Beruflichen, bei Vertragsverhandlungen oder sonstigen strittigen Angelegenheiten den Fokus und die Fairness nie aus den Augen zu verlieren, das beschert Ihnen Erfolgserlebnisse auf der ganzen Ebene.

Leben im Hier und Jetzt
    Mit jedem neuen Tag kann ich bei den Tieren beobachten, dass sie im Hier und Jetzt leben. Kein Grübeln, was sein könnte. Kein Hadern mit dem, was war. Eine bemerkenswerte Fähigkeit und eine erstrebenswerte Grundeinstellung, die es wert ist, dass man sie sich zu Eigen macht und mit einem gesunden Urvertrauen in den nächsten Tag startet. Eng mit der Natur verbunden, ja als ein Teil der Natur leben die Tiere immer nur den aktuellen Tag, es geht ihnen nicht um
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