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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Kappel
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trug sie eine lustige Badehaube mit großen bunten Plastikblumen. In diesen Plastikblumen war das Lockmittel für Junior versteckt: köstliches Bananenmus, das ich vorbereitet hatte. Verborgen vor der Kamera war die schmucke Badehaube damit präpariert. Zuerst war vorgesehen, dass das Pferd aus dem Badewasser trinkt und am Schaum schleckt. Jedoch war die von Junior bevorzugte Zuckerwatte für den Kameramann nicht die Lösung, da der Badeschaum dadurch, nun ja, wie Zuckerwatte aussah und nicht wie Schaum. Also kleine Änderung: die Badehaube.
    Das Pferd wurde vor Drehbeginn mit den Räumlichkeiten vertraut gemacht. Da Junior sich in den Räumen von da ab sicher fühlte, war seine Wahrnehmung in dieser Szene auf den Bananenduft konzentriert, dem er zielstrebig nachging. So näherte sich der freche Brasil der Wanne und fing an, in den Plastikblumen nach der duftenden Köstlichkeit zu forschen, die ihm von draußen schon in die Nase gestiegen war. Sein weiches Pferdemaul zupfte und mampfte, bis die Schauspielerin in einem einstudierten Schrei vor dem Pferd erschrak. Dieser Schrei war das Startzeichen für Junior, vor der zappelnden, kreischenden und spritzenden, mit Badeschaum überzogenen Mademoiselle aus dem Badezimmer zu flüchten.
    Doch Junior war fokussiert: auf sein Bananenmus. Weder die lustige Katharina noch das spritzende Badewasser hätten ihn aus dem Badezimmer vertrieben. Auf dem Korridor draußen stand ich daher mit einer geschälten Banane und rief ihn
zu mir – genau in dem Moment, als Katharina vor Junior erschrak. Dieses Pferd war in einem seiner früheren Leben sicher ein Hund, es trabte auf den Ruf seines Namens sofort zu mir. Durch den Impuls von Katharina kannte Junior ganz schnell das Zeichen seines Abganges. Wir haben seinen Heißhunger auf Bananen schamlos ausgenutzt.
    Das Badezimmer war nicht wirklich ein Badezimmer. Eine freistehende Badewanne wurde in der Mitte eines Raumes platziert, dazu ein vierzigköpfiges Filmteam, das komplett anwesend sein musste, um die Szene optimal in den Kasten zu bekommen, die Kameraausrüstung, ein Arsenal an Scheinwerfern und ein ausgewachsener Hengst. Einzig die Schauspielerin benötigte keinen zusätzlichen Platz, sie saß in ihrem Schaumbad. Da weder eine Wasserleitung noch ein Abfluss vorhanden waren, musste das Wasser mit Kübeln in die Wanne befördert werden, und genauso kam es auch wieder hinaus. Der Teufel im Detail wurde dieses Mal an die Abteilung Ausstattung vergeben. Ein ständiges Kommen und Gehen an Wasserkübel schleppenden Sklaven sorgte dafür, dass Katharina Thalbach immer in warmem Wasser saß. Diesen Anspruch hatte sie zu Recht, da sie immerhin mehrere Stunden in der Wanne verbrachte.
    Warum aber konnte Brasil all diesen Unfug im Lindenhof eigentlich anstellen? Er sperrte die Zwillinge aus, indem er ein Fenster schloss, und wanderte dann neugierig und unternehmungslustig im Internat umher, so stand es jedenfalls im Drehbuch. Was tun? Wie in aller Welt bringe ich einem Pferd bei, ein Fenster zu schließen? Zudem funktionierte dieses alte Fenster mit kleinen Flügelmechanismen, was das Vorbereitungstraining nicht einfacher machte.
    Um mir in gewohnter Umgebung einen Eindruck zu verschaffen, was man – in diesem Fall, was Pferd – mit erwähnter Verriegelungstechnik anstellt, habe ich ein kleines Fenster
mit genau diesem Mechanismus an einen kleinen Kasten bauen lassen, den ich mit verschiedenen Leckereien füllte. Als ich Junior zeigte, was in dem Kasten verborgen ist, stellte er seinen Fokus klar ein: Er wollte nichts lieber, als an diese Köstlichkeiten zu gelangen. Mit seinem sensiblen Maul und seinen butterweichen Lippen spielte er so lange an der Verriegelung herum, bis sich endlich in einem lang ersehnten Moment zufällig das Fenster öffnete und Junior mit funkelnden Augen und großem Appetit den Inhalt der Box leerfraß – die positive Bestätigung für das Tier direkt in dem Moment, in dem es die Aufgabe bewältigt hat.
    In den nächsten Tagen lernte Junior das Feintuning beim Bedienen der Verriegelung, und bald konnte er in Sekundenschnelle das Fenster öffnen. Wer ein Fenster öffnen kann, kann es auch schließen. Der verführerische Inhalt wurde nicht mehr in die Box gefüllt, sondern jetzt wurde Junior jedes Mal bestätigt, wenn er bei offenem Fenster mit seinem Maul am Verschluss herumspielte und dabei versehentlich, aber zuverlässig das Fenster zudrückte. Genau das bestätigte ich mit einem Lob und einem kleinen Stück

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