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Tiefsee

Tiefsee

Titel: Tiefsee
Autoren: Clive Cussler
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Betäubung und Kraftlosigkeit. Er schien eine rostige Kette an ihren Knöcheln zu befestigen.
    »Warum tat er das nur?« fragte sie sich vage. Sie beobachtete apathisch, wie man sie in die Höhe hob. Dann wurde sie losgelassen und schwebte durch die Dunkelheit.
    Etwas traf sie mit fürchterlicher Wucht, schlug ihr die Luft aus der Lunge. Eine kühle, nachgiebige Masse schloß sich über ihr, ein unbarmherziger Druck wirkte auf ihren Körper ein, zog sie nach unten und preßte ihr Inneres wie in einem riesigen Schraubstock zusammen.
    Ihre Trommelfelle platzten, und in diesem Augenblick reißenden Schmerzes wurde ihr Geist vollkommen klar, und sie wußte, daß es kein Traum war. Ihr Mund öffnete sich, um einen hysterischen Schrei auszustoßen. Sie brachte keinen Ton heraus.
    Der zunehmende Druck des Wassers preßte ihr bald den Brustkorb ein. Ihr lebloser Körper trieb in die wartenden Arme des dreitausend Meter tiefen Abgrunds.

ERSTER TEIL
    DIE »PILOTTOWN«

1
    25. Juli 1989 Cook Meerenge, Alaska
    Schwarze Wolken türmten sich drohend über dem Meer um die Insel Kodiak auf und färbten die dunkle, blaugrüne Fläche bleigrau. Die orangefarbene Glut der Sonne wurde ausgelöscht wie der Schein einer Kerze. Im Gegensatz zu den meisten Stürmen, die vom Golf von Alaska herabfegten und Windgeschwindigkeiten von 80 bis 160 Stundenkilometern erreichten, brachte dieser eine milde Brise. Regen setzte ein, zuerst nur einzelne Tropfen, dann zu einer wahren Sintflut anwachsend, die das Wasser zu weißem Gischt aufpeitschte.
    Auf der Kommandobrücke des Kutters der Küstenwache
Catawaha
hielt Korvettenkapitän Amos Dover ein Fernglas und bemühte sich, den dichten Regenschleier mit seinem Blick zu durchdringen. Es war, als würde er durch einen schimmernden Bühnenvorhang starren. Nach 400 Metern war jegliche Sicht am Ende. Der Regen fühlte sich kalt auf seinem Gesicht an und noch kälter, als er an dem aufgestellten Kragen seiner wasserdichten Jacke vorbei seinen Hals hinunterlief. Schließlich spuckte er die wassertriefende Zigarette über die Reling und betrat die trockene Wärme des Ruderhauses.
    »Radar!«, rief er mürrisch.
    »Kontakt sechshundertfünfzig Meter voraus und näherkommend«, antwortete der Mann am Radarschirm, ohne von den kleinen Anzeigen auf dem Schirm aufzublicken.
    Dover knöpfte seine Jacke auf und wischte sich mit einem Taschentuch die Nässe vom Hals.
    Probleme waren das letzte, was er bei dem wilden Wetter erwartete. Im Hochsommer kam es selten vor, daß ein Kutter der Fischfangflotte oder ein privates Vergnügungsschiff vermißt wurde, vielmehr war der Winter die Jahreszeit, in der sich der Golf heimtückisch und gefährlich zeigte. Kalte arktische Winde trafen auf wärmere, aus dem Alaskastrom aufsteigende Luft und lösten unglaubliche Stürme aus, türmten riesige Wellen auf, zermalmten Schiffsrümpfe und vereisten die Deckaufbauten, bis ein Schiff so sehr kopflastig wurde, daß es kenterte und wie ein Stein versank.
    Sie hatten den SOS-Ruf eines Schiffes aufgefangen, das sich
Amie Marie
nannte. Ein rasches SOS-Signal, gefolgt von einer Loran-Positionsangabe und den Worten: »… glaube, alle sterben.«
    Funksprüche mit dem Ersuchen um weitere Informationen wurden wiederholt ausgesandt, aber der Funker an Bord der
Amie Marie
meldete sich nicht mehr.
    Eine Suche aus der Luft kam erst dann in Frage, wenn das Wetter aufklarte. Jedes Schiff innerhalb von hundert Meilen änderte seinen Kurs und fuhr mit Volldampf auf die angegebene Position zu. Wegen der größeren Geschwindigkeit der
Catawaha
nahm Dover an, daß sie das in Seenot befindliche Schiff als erste erreichen würde. Dank der riesigen, dröhnenden Dieselmotore war sein Kutter schon an einem Küstenfrachter und einem Golf-Linienschiff vorbeigezogen, die nun beide in seinem Kielwasser weitab dahinschaukelten.
    Dover war ein bärenstarker Hüne, der im Seerettungsdienst seinen Mann gestanden hatte. Er hatte zwölf Jahre in den nördlichen Gewässern verbracht und sich hartnäckig gegen jede widerwärtige Wetterlaune gestemmt, der ihn die Arktis ausgesetzt hatte. Er war zäh und windgegerbt, bewegte sich langsam und schwankend, besaß jedoch einen Geist wie eine Rechenmaschine, der seiner Besatzung immer von neuem Ehrfurcht einflößte. Noch ehe die Schiffscomputer programmiert worden waren, hatte er im Kopf den Windfaktor und den Strömungsabtrieb schneller ausgerechnet und die Position ermittelt, an der das Schiff, Wrack oder etwaige
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