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Tiefes Land

Tiefes Land

Titel: Tiefes Land
Autoren: Carsten Steenbergen
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erlitten haben musste, brachte sie ihre Worte mit unerwarteter Klarheit vor. Nacheinander reichte sie den Anwesenden die Hand, während sie sich vorstellte.
    »Dr. Veden. Guten Tag. Bislang sind sieben Varianten von Botulinumtoxin bekannt, auf welche die genannten Eigenschaften zutreffen. Dr. Tomer arbeitete mit seinem Team, zu dem ich ebenfalls gehörte, an einer Achten. Deshalb auch BTX-8, wie er es nannte. Die Partikel aus den gestohlenen Proben lassen sich im Gegensatz zu den herkömmlichen Varianten problemlos zu einem Aerosol, einem nahezu gasförmigen Zustand, oder einem Fluid modifizieren. Botulinumtoxin ist eines der giftigsten Stoffe der Welt, aber BTX-8 ist noch zwanzigfach tödlicher. Allein mit einer der Proben könnte man im Handumdrehen mehrere Tausend Menschen umbringen.«

07:04 Uhr, 4 Mai, Rotlichtviertel »De Wallen«, Amsterdam

    Ein lautstarkes Wummern an der Vordertür ließ Ralf Klok verärgert den Kopf heben. Er sortierte soeben eine Warenlieferung und verstaute die einzelnen Plastiktütchen sorgfältig in die dafür vorgesehen Fächer. Abgesehen davon war es noch mindestens eine Stunde bis zur Ladenöffnung. Er legte das Päckchen, das er gerade in der Hand hielt, zurück auf den Tisch, als jemand erneut gegen die Tür hämmerte.
    »Ja, ja, ich komme ja schon«, schimpfte er, während er sich nach vorne begab.
    Er schob sich an der Theke vorbei und berührte im Vorbeigehen mit der Rechten den Bauch der mehrarmigen Ganesha-Figur, der indischen Gottheit mit Elefantenkopf, an der hinteren Wand des Verkaufsraums, eine Angewohnheit, die ihm Glück bringen sollte, wie er hoffte. Am Fenster lupfte er das Rollo an einer Seite und blickte nach draußen. Genau vor ihm stand ein schmerbäuchiger, enorm groggy aussehender Mann, mit strähnigen grauen Haaren. Dass diese Freaks nicht einmal warten konnten, bis er den Coffeeshop geöffnet hatte. Er schüttelte verneinend den Kopf und wedelte mit der Hand, um seinem Gegenüber anzudeuten, er solle sich verziehen.
    »Wir haben noch geschlossen.«
    Der Mann griente, zog etwas aus der Jackentasche heraus, das er anschließend gegen die Scheibe drückte. Ein Ausweis der Amsterdamer Polizei. Klok fluchte. »Verdammt.« Für eine Sekunde überlegte er, ob er die Geste einfach ignorieren und durch die Hintertür verschwinden sollte, dann entschied er sich jedoch dagegen.
    Das würde nur Ärger bringen. Also schloss er auf und öffnete die Eingangstür einen Spalt weit.
    »Was wollen Sie?«
    »Einen freundlichen guten Morgen wünsche ich. Gerrit Angemer, von der Mordkommission. Könnte ich Ihre wertvolle Zeit für einen Moment in Anspruch nehmen?«
    Der übertrieben charmante Ton des Kommissars und das sarkastische Lächeln machten Klok misstrauisch. Wenn die Bullen schon so anfingen, dann bedeutete das nichts Gutes.
    »Ist grad schlecht. Ich hab zu tun.«
    Klok versuchte, die Tür zu schließen und so das Gespräch zu beenden. Der schnell in den Spalt geschobene Fuß des Kommissars vereitelte dieses Vorhaben.
    »Oh, einen Augenblick werden Sie sicher erübrigen. Anderenfalls müsste in ein paar Minuten mit einem Durchsuchungsbefehl wiederkommen. Wieso ersparen wir uns nicht diese überflüssige Zeitverschwendung?«
    Angemer drückte gegen die Tür, schob den protestierenden Klok einfach beiseite und trat ein.
    »Hey, das können Sie doch nicht machen. Ich kenne meine Rechte.«
    »Das ist erfreulich zu hören, Mijnher Klok. Ich habe nur ein paar Fragen. Sie werden sehen, ich bin schneller verschwunden, als Sie Marihuana sagen können.«
    Angemer sah sich in dem kleinen, orientalisch eingerichteten Coffeeshop aufmerksam um. Von den Wänden fielen bunte Tücher mit hinduistischen Motiven oder baumelten lange Ketten aus dunkelbraunen hölzernen Kugeln herab.
    Auf jedem der viereckigen Tische, an denen die Gäste Platz nehmen und etwas trinken und essen konnten, stand je eine winzige Figurine, die unterschiedliche exotische Gottheiten darstellte. Als unbedarfter Mensch verwechselte man das Indi Stone womöglich mit einem ganz normalen Cafe´ oder einer Bar, nahm man das Angebot von Kuchen und Keksen, das in der gläsernen Theke bereitstand, in Augenschein.
    Allerdings verbarg sich in dem Zuckerzeug eine spezielle Füllung mit nicht unerheblich berauschender Wirkung, kaum minder wirksam als die sorgfältig in kleine Fächer aus durchsichtigem Kunststoff einsortierten Joints und Beuteln mit verschiedenen Grassorten.
    In der Luft hing der kalte, abgestandene Geruch von
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