Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Sawatzki
Vom Netzwerk:
ist?«
    »Was meinst du mit ›was soll das werden‹, Gerald? Du siehst doch wohl, dass ich das Haus für Weihnachten dekoriere.«
    »Ja, das sehe ich.«
    »Dann frag doch nicht so blöd. Aber anstatt zu meckern, könntest du einfach mal was schön finden, was ich mache. Oder vielleicht selber eine Idee entwickeln. Dann müsstest du meine Arbeit nicht ständig kritisieren.«
    »Ich kritisiere dich doch gar nicht. Es hat schon was, wie das da so hängt. Ich habe nur noch nie in meinem Leben Lametta an Türklinken hängen sehen.«
    »Sieht scheiße aus, Mami«, sagte Ricarda beiläufig. Sie war die Treppen runtergekommen und stand vor der Klotür. An der Klinke baumelten drei Silberfäden.
    »Ja, da hatte ich nicht mehr genug …«
    »Dann mach’s ganz weg, sieht total arm aus.«
    »Jetzt sei mal nicht so frech, Ricarda, das war viel Arbeit.«
    Meine Tochter legte den Kopf schief. »Echt?«
    »Ja, Herrgott noch mal. Und außerdem haben wir noch keinen Baum, weil dein Vater vergessen hat, ihn liefern zu lassen. Ich wollte trotzdem schon mal ein bisschen für weihnachtliche Stimmung sorgen.«
    »Tu dir keinen Zwang an, Mami …«
    Damit zog sie ihren Mantel an.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich schlaf heute bei Bine, hab ich dir doch gestern gesagt.«
    »Aber morgen ist doch noch Schule?«
    »Mami, chill mal, ist der letzte Schultag, da passiert nicht mehr viel.«
    »Okay, rufst du dann später noch an?«
    Aber sie war schon aus der Tür, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen.
    Kennen Sie dieses Gefühl? Sie versuchen, allen Unkenrufen zum Trotz, das Beste aus einer unmöglichen Situation zu machen, Sie ackern und räumen und kochen und schuften und sind nach stundenlanger Arbeit endlich an dem Punkt, wo Sie sagen können, ja, genau, so wollte ich es haben, und Sie können es kaum erwarten, Ihre Lieben zu überraschen. Und dann kommt einer nach dem anderen durch die Tür gelatscht und macht die ganze liebevolle Mühe mit den dämlichsten Kommentaren zunichte?
    Genau so fühlte ich mich nach Ricardas Abgang jedenfalls.
    Ich atmete tief durch. Heute würde ich mich auf keinen Fall von den Launen meiner Familie in die Knie zwingen lassen.
    Rolfi kam dann irgendwann mit dem Bastelzubehör, aber natürlich war es da schon zu spät, um noch draußen Zweige zu schneiden. Morgen ist auch noch ein Tag, dachte ich unerschütterlich.
    Wichtig war jetzt vor allem schummriges Licht, das würde eine gemütliche Atmosphäre machen und die Familienmitglieder friedlich stimmen. Ich fand eine Zwanzig-Watt-Birne und schraubte sie in die Deckenlampe ein. Das Wohnzimmer wirkte richtig romantisch, man musste nur genau darauf achten, wohin man trat.
    Zum Abendessen machte ich ein paar belegte Brote, es war keine Zeit mehr gewesen, etwas Richtiges zu kochen. Natürlich gab es Proteste, aber ich hatte die Küche geschrubbt und wollte sie vor dem Heiligen Abend nicht wieder dreckig machen.
    Als ich spät in der Nacht noch mal aufs Klo musste, stand Gerald vor dem Herd und brutzelte sich Spiegeleier mit Bratkartoffeln. Dass die Küche wie ein Schlachtfeld aussah, schien ihn nicht zu stören …

3.
    Kapitel
    Nach einem ziemlich hektischen Frühstück und nachdem ich die Kinder in die Schule gebracht hatte, suchte ich zuerst im Kühlschrank und dann im ganzen Haus nach Geralds Einkäufen. Aber ich fand nichts. Also weckte ich ihn und stellte ihn zur Rede. Seinem Genuschel konnte ich entnehmen, dass er angeblich keine Enten gefunden hatte.
    Ich sah ihn vor mir, wie er missgelaunt vor dem Kühlregal stand und die fünfundzwanzig Bioenten übersah, die vor ihm im Geflügelfach lagen. Das Einzige, was er aufgetrieben hatte, waren ein Pfund Butter und eine Handvoll Kartoffeln.
    »Was soll ich denn damit? Das reicht nicht mal für eine Person!« Vielleicht war ich zu direkt, aber so viel Unfähigkeit hatte ich nicht mal Gerald zugetraut.
    »Du hast keine Mengenangaben gemacht«, sagte er patzig.
    Manchmal sind seine Antworten so überwältigend doof, dass sich kein weiteres Wort lohnt.
    So machte ich mich selbst auf den Weg. Was blieb mir anderes übrig? Ich hatte mir die verdammten Enten in den Kopf gesetzt, und jetzt wollte ich sie auch haben.
    Ich war ewig unterwegs. Als ich schon kurz davor war aufzugeben, kam ich zufällig an einem kleinen türkischen Trödelladen vorbei, in dem es Weihnachtsschmuck im Sonderangebot gab. Ich kaufte spontan den gesamten Vorrat auf. So billig würde ich nie wieder an Christbaumkugeln kommen, erfahrungsgemäß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher