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Thursday Next 04 - Es ist was Faul

Thursday Next 04 - Es ist was Faul

Titel: Thursday Next 04 - Es ist was Faul
Autoren: Jasper Fforde
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Schwarz, ihre Sporen klirrten nicht, und sie hatten auch keine geprägten Lederholster mit vernickelten Revolvern, sondern Gewehre. Mit Schaudern sah ich, dass bei einem ein Knopf an der Weste fehlte und bei einem anderen die Schuhsohle schlappte. Fliegen summten den Männern um die verschmutzten Gesichter, und ihre Hüte waren voll Schweiß. Das waren keine Standard-Revolverhelden der Klasse C-2, sondern detailliert gestaltete A-7-Figuren aus einem hochklassigen Western, und wenn sie genauso gut schießen konnten, wie der Autor sie beschrieben hatte, dann hatten wir ein Problem.
    Der Sheriff schien das auch zu spüren.
    »Wo kommen deine Freunde her, Abe?«
    Einer der Männer legte sich die Winchester schussbereit in den Arm und sagte mit träger Stimme: »Uns schickt Mr Johnson.«
    Damit eröffneten sie das Feuer. Kein Abwarten, kein Drama, kein erzählerischer Rhythmus. Bradshaw und ich hatten uns längst verzogen. Sich vor einem Revolverhelden aufzubauen ist vielleicht heldenhaft, aber fürs Überleben recht unpraktisch.
    Der Sheriff merkte das leider zu spät. Wenn er, wie eigentlich vorgesehen, bis Seite 164 gelebt hätte, wäre die Sache ein bisschen anders verlaufen. Nach einer dramatischen Vorbereitung von etwa zwei Seiten hätte er seine Kugel gefangen. Er hätte sich zweimal im Staub überrollt und dann noch lange genug gelebt, um tränenreichen, aber unblutigen Abschied von seiner Verlobten zu nehmen. Keine Chance. Der Sheriff starb einen realistischen Tod. Die schwere Kugel durchschlug seine Brust und riss ihm ein tellergroßes Loch in den Rücken. Er fiel hart aufs Gesicht, und seine Arme knickten unnatürlich unter seinem Gewicht ein. Er lag nicht einmal flach auf dem Boden, sondern sein Hintern ragte ungeschickt in die Luft.
    Sobald kein Ziel mehr da war, stellten die Killer das Feuer ein. Die Schießerei hatte Bradshaws Jagdinstinkte geweckt. Er riss das Gewehr hoch und schoss auf den Mörder des Sheriffs. Es krachte gewaltig, und der Radierer schlug ein. Der Killer wurde mitten auf der Straße getroffen und löste sich in einer Fontäne von Text auf. Wörter zerspritzten zu Buchstaben, bildeten einen blauen Dunst auf dem Boden und lösten sich nach einer Sekunde ganz auf.
    »Was machen Sie?«, fragte ich irritiert.
    »Er oder wir«, sagte Bradshaw und lud sein Martini-Henry-Gewehr neu. »Er oder wir.«
    »Haben Sie nicht gesehen, aus wie viel Text er bestand?«, sagte ich wütend. »Der Mann war über einen Absatz lang! So viel Text kriegen nur wichtige Leute. Jetzt fehlt irgendwo eine Figur, bloß weil Sie ihn voreilig ausradiert haben.«
    »Aber das konnte ich doch nicht wissen«, sagte Bradshaw beleidigt.
    Ich schüttelte den Kopf. Hatte Bradshaw den fehlenden Knopf, die Schweißflecken und kaputten Schuhe denn nicht gesehen? Wenn eine wichtige Figur ausgelöscht wurde, musste man endlose Formulare ausfüllen, angefangen von F 36/34 (Abfeuern eines Radierers) über P 13/36 (Schadensabschätzung) bis B 9/32 (Ersatzbeschaffung). Das würde mich zwei volle Arbeitstage kosten. Ich hatte gedacht, die Bürokratie in der Wirklichkeit wäre schlimm, aber in der Papierwelt war sie ganz übel.
    »Was schlagen Sie vor?«, fragte Bradshaw. »Sollen wir sie höflich bitten, sich zu ergeben?«
    »Ich glaube …«, erwiderte ich, zog mein mobiles Fußnotofon aus der Tasche und drückte auf den mit
Kater
markierten Knopf. In der BuchWelt ist das Fußnotofon die übliche Form der Kommunikation, aber hier draußen …
    »Verdammt! Kein Netz«, murmelte ich.
    »Die nächste RepetierStation ist im
Virginian
«, sagte Bradshaw, ließ das Schloss der Martini-Henry einschnappen und spähte nach draußen. »Aber aus der Trivialliteratur kann man nicht direkt in die Klassiker springen.«
    Da hatte er recht. Wir waren seit sechs Tagen von einem Buch zum anderen gesprungen, und obwohl wir uns im Notfall zurückziehen konnten, hätten wir dem Minotaurus damit natürlich einen riesigen Vorsprung verschafft. Das war gar nicht gut, aber so richtig schlimm war es auch nicht – bisher jedenfalls.
    »He!«, rief ich aus dem Fenster. »Wir wollen reden!«
    »Ach, wirklich?«, sagte eine Stimme von draußen. »Mr Johnson sagt, mit Reden wäre er fertig. Es sei denn, Sie würden ihm Straffreiheit zusichern.«
    »Darüber ließe sich reden«, erwiderte ich.
    Es piepte in meiner Tische.
    »Verdammt«, murmelte ich und warf einen Blick auf den HandlungsNäheAnzeiger. »Bradshaw, die Haupthandlung nähert sich von Südosten, Abstand
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