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Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat
Autoren: Carmen Korn
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und begann, mit der Stoffecke eine matte Stelle am Buffet zu polieren.
    »Schenkt mir ein Bild von sich. Dabei lauert er doch nur, daß ich mich verabschiede und er an die Möbel kann.«
    Thea schaute auf das schwarze Eichenbuffet.
    »Er handelt mit Antiquitäten«, sagte Frau Levka.
    »Ich denke, er hat einen Zeitungsladen.«
    »Hat er auch. Er kommt nachher und bringt den Meldezettel. Kann er zu Ihnen reinkommen?«
    »Ja«, sagte Thea.
    »Und machen Sie das Fenster nicht mehr so oft auf«, sagte Frau Levka, »oder finden Sie, daß es bei mir muffig riecht?«
    »Nein«, sagte Thea.
    Sie fand, daß sie eine fatale Neigung hatte, sich anzupassen.
    Der Kleine hatte den Fischgrätmantel an und ein Köfferchen in der Hand. Er legte das Köfferchen auf den Eichenstuhl, der als einziger in Theas Zimmer stand, und klappte den Deckel auf. Im Köfferchen lag der Meldezettel.
    Thea sah den Kleinen an und wartete auf ein Wiedererkennen. Er tat, als habe er Thea noch nie gesehen. Nats Komplize.
    »Na und nun ist der Koffer leer«, sagte Frau Levka, die in der Tür stand, »sonst hat er ja noch sein Butterbrot drin.«
    Der Kleine drehte sich nicht um. Er stand nur da, als habe ihm gerade jemand eine Pistole in den Rücken gebohrt.
    »Danke, Herr Levka«, sagte Thea und nahm den Zettel.
    »Kommen Sie doch mal in den Laden«, sagte Valentin Levka.
    Nat beugte sich vor und leckte den Whisky auf, der über die Marmorplatte gelaufen war. Vor ihm standen die vier Röhrchen. In vier Apotheken gekauft. Rezeptfrei. Es hatte keinen Sinn, die Tabletten zu nehmen, solange er Theas Adresse nicht kannte. Nat tat nichts ohne Thea. Er nahm das kleine lederne Adreßbuch, das neben der Flasche gelegen hatte und ganz feucht vom Whisky war, und blätterte es durch. Bei Glorias Telefonnummer zögerte Nat.
    Doch dann blätterte er weiter.
    Er nahm die Flasche und goß das Glas noch einmal voll. Diesmal gelang ihm das, ohne die Hälfte zu verschütten. Er mußte aufhören zu trinken. Es half nicht mehr. Die Katastrophe war zu groß geworden für den Whisky. Er zog sich zu schnell wieder zurück und ließ Nat allein.
    Nat legte den Kopf auf die Marmorplatte und fing an zu weinen. Er war noch nicht mal vierunddreißig Jahre alt, und schon gab es um ihn herum keine Menschen mehr.
    Thea legte die Hände auf den Ladentisch und las den Titel des Heftchens, das als oberstes auf einem Stapel lag. Duell der Verlorenen. Band 390. Daneben ein Zirkelkasten und eine Etagere aus Porzellan. Levkas Antiquitäten.
    »In der Kirche«, sagte Thea, »erinnern Sie sich doch.«
    »Er trug eine Fliegerjacke. Eine englische.«
    »Ja«, sagte Thea überrascht, »er trug die Fliegerjacke.«
    »Ich habe auch eine Lederjacke«, sagte Levka.
    Sein Anzug sah aus, als sei er mindestens vierzig Jahre alt.
    »Sie sollten sie tragen«, sagte Thea, »Sie sind der Typ dazu.«
    Sie hörte ihrem Satz nach und dachte, daß sie schon ziemlich nah am Schwachsinn war.
    Der Kleine nahm das Heftchen vom Stapel und drehte es in der Hand.
    »Eine tolle Story. Zwei Männer kämpfen einen gnadenlosen Kampf.«
    »Lesen Sie all die Heftchen?« fragte Thea.
    »Ich muß doch meine Ware kennen«, sagte der Kleine.
    »Der Mann in der Fliegerjacke«, fing Thea wieder an.
    »Ich dachte, guck mal, den Typen passiert auch mal was.«
    »Den Typen?« fragte Thea.
    »Denen immer alles gelingt«, sagte der Kleine und zeigte auf den Reklameständer einer Zigarettenmarke, der in einem Regal stand. Der Mann in Jeans hatte tatsächlich eine Ähnlichkeit mit Nat.
    »Die Gewinner und die Verlierer«, sagte Thea.
    »Und dann dreht sich alles um«, sagte Levka, »die Verlierer sind am Gewinnen.«
    »Ich glaube, ich verstehe Sie.«
    Der Kleine lächelte Thea an.
    »Aber Sie kannten ihn«, sagte Thea.
    Der Kleine vertiefte sein Lächeln, als sei das eine Antwort.
    »Quält er Sie?« fragte der Kleine.
    Thea war wieder sehr überrascht.
    »Dann helfe ich Ihnen«, sagte Valentin Levka.
    »A love that should have lasted years ...«, sang McCartney. Dann sprang die Kassette heraus. Nat zog sie aus dem Recorder und sah, daß sich das Band gelockert hatte. Er suchte schon nach dem Kugelschreiber, um es festzuziehen, doch dann legte er die Kassette in die Ablage. Genug sentimentales Dope.
    Nat beugte sich vor und öffnete die Beifahrertür. Er schob den Stuhl auf die Straße und rutschte ihm nach. Keiner mehr, der stehenblieb und Nat aus zu kurzer Entfernung zusah. Er gehörte fast zum Straßenbild.
    Er hatte Thea noch nicht
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