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Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat
Autoren: Carmen Korn
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gesehen. Er sah seit Tagen nur den Fiat, in den Thea nicht stieg. Heute fehlte auch der Fiat. Nat griff in die Tasche seines Tweedjacketts und holte das weiße Tablettenrohr hervor. Er löste den Deckel mit dem Daumennagel und nahm einen der kleinen grünlichen Laibe, die in vier Viertel zu teilen waren. Nat nahm eine ganze Tablette. Trocken. Er hatte noch vierzig von neunundvierzig Lexotanil, die aus dem Schränkchen im Badezimmer gerollt und ihm in den Schoß gefallen waren. Sie mußten im obersten Fach gelegen haben.
    Thea hatte Nat schon am ersten Tag entdeckt. Sie war über den Paulinenplatz gegangen und wollte in die Wohlwillstraße zu ihrem Auto, als sie den Jaguar da stehen sah.
    Sie hatte sich hinter einem Bauwagen verborgen, und hinter dem Bauwagen kotzte sie auch ihren Kaffee aus. Sie war geblieben, bis ein paar Punker den Wagen passierten und Thea mit dem Pulk zum Neuen Pferdemarkt kam. Sie ging bis zur Sternschanze weiter, um dort in die S-Bahn zu steigen. Sie hatte auf dem Bahnsteig gestanden und den schrecklichen Drang gehabt, vor den Zug zu springen. Thea hatte sich auf eine Bank setzen und daran festklammern müssen, als der Zug einfuhr.
    Seitdem hatte sie keinen Schritt mehr vor die Tür gemacht. Eine Lexotanil oder ein Sprung auf die Schienen.
    Die Tabletten lagen oben im Schränkchen. Neunundvierzig. Thea erinnerte sich genau, nur eine genommen zu haben. Den Entschluß faßte Thea, als Nat aus dem Jaguar stieg. Sie sah ihn in die Tasche seines Jacketts greifen und dachte an eine Pistole in Nats Hand. Ihre Gedanken ließen sich in letzter Zeit allzugern auf Gewalt ein. Nat würde sich eine Weile der Wohlwillstraße widmen. Zeit, in Richtung Reeperbahn zu laufen, ein Taxi zu nehmen. Zwölf Minuten später kam Thea am Innocentiapark an.
    Thea saß auf dem Rand der Badewanne und dachte, daß sie aufstehen und die Wohnung verlassen müsse. Nat konnte jeden Augenblick kommen. Er brauchte nicht mal seinen Schlüssel zu ziehen. Ihrer steckte noch in der Tür. Sie hatte schnell wieder aus der Wohnung sein wollen. Sich nicht umsehen. Keine Sorge zulassen.
    Nur ins Bad. Das Schränkchen. Das oberste Fach. Die Tabletten waren weg. Thea klappte den Zollstock zusammen und stand auf. Ein Meter achtzig bis zum obersten Fach. Für Thea zu hoch. Sie hatte sich auf die Zehen gestellt, um hineinzugreifen. Aus Nats Augenhöhe ließen sich die Tabletten nicht mal ahnen, und im obersten Fach lag nur noch ein alter Lippenstift.
    Der Dobermann ließ ihn nicht aus den Augen. Der Hund hing aus dem Parterrefenster und schien den Plan zu haben, sich hinaus und auf Nat zu stürzen. Nat versuchte den langsamen Rückzug und geriet in den Fahrradständer einer Zigarettenfirma. Das Ganze fing an, ihm peinlich zu werden, trotz der Watte, in die ihn die Tablette bettete. Nat atmete auf, als es ihm gelang, ohne Spektakel loszukommen. Er hatte keine Lust auf Kontakte. Auch keinen Elan mehr, nach Thea zu fragen, als suche er einen davongelaufenen Hund. Das Unglück dauerte schon zu lange, er hielt es nicht länger aus.
    Als Nat zum Auto kam, hatte er das Gefühl, alles mit letzter Kraft zu tun. Er saß noch eine halbe Stunde, bevor er sich in der Lage glaubte, zurückzufahren. Er hätte sich gern vor Theas Tür gelegt, hätte er nur gewußt, wo die war.
    »Heute hat sich Ihr Typ in meinem Fahrradständer gefangen.« Der Kleine machte Theas Zimmertür hinter sich zu.
    »Nur, daß meine Mutter nichts hört«, sagte er.
    »Nat war in Ihrem Laden?« fragte Thea.
    »Nein. Nur davor.«
    »Er hat Kontakt zu Ihnen aufgenommen.«
    »Nein. Meinen Sie, er weiß, daß Sie bei mir sind?«
    »Daß ich bei Ihnen bin?«
    Der Kleine nickte.
    »Er kennt das Zimmer nicht«, sagte Thea.
    »Ich habe Ihnen was mitgebracht.«
    Levka kam ins Zimmer und zog den Stuhl zu sich heran. Er legte das Köfferchen darauf und ließ das Schloß aufschnappen. Im Köfferchen lag ein Klappmesser.
    »Das Messer?« fragte Thea.
    »Zu Ihrem Schutz«, sagte Levka, »ich hab' so ein Messer schon gut brauchen können. Wenn die Punker zu frech wurden.«
    »Sie haben mit dem Messer zugestochen?«
    »Ein bißchen geritzt. Auch schon mal Türken.«
    »Und wen soll ich mit dem Messer ritzen?«
    Der Kleine grinste.
    »Warten Sie mal ab«, sagte er.
    »Wir sind doch alle Zombies«, sagte der Junge und zog an dem Zöpfchen, das ihm am kahlgeschorenen Kopf wuchs.
    »Ja«, sagte Nat, »du hilfst mir also?«
    »Kommt drauf an.«
    Nat holte ein Bündel Scheine aus der Brusttasche des
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