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The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)

The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)

Titel: The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
Autoren: Susanne Winnacker
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zuckte mit den Schultern. Vorsichtig, damit die weiße Farbe nicht auf den Boden tropfte, machte ich mich wieder an die Arbeit. Ich lächelte, als ich mit dem Pinsel eine fast gerade Linie zog. »Er bohrt beim Essen in der Nase und legt tote Spinnen in mein Bett.«
    Dad schüttelte den Kopf und gab mir einen Stups auf die Nase. »Du hast ja überall Farbe«. Ich rieb mir über die Haut. Dad nahm ein Taschentuch heraus und wischte mir das Gesicht ab. »Und eine kleine Schwester macht so was nicht?«
    »Nein. Sie wird mich nicht ärgern und mit mir spielen, wenn mir langweilig ist.«
    »Tja, dann beeilen wir uns mal, damit das Zimmer fertig ist, wenn sie kommt.«
    Seite an Seite strichen wir die Wand. Aus der Küche wehte der Geruch von verbrannten Keksen zu uns herüber. Einen Augenblick später waren Moms Flüche zu hören.
    Ich musste grinsen.

Zwei
    Karen hetzte geschäftig um das Bett herum. Sie hatte besorgt die Lippen zusammengekniffen, und ihr graues Haar war nass vor Schweiß. Ich stand mit dem Rücken zur Wand, damit ich ihr nicht im Weg war. Mom saß neben Dad. Ihre Hände waren mit Erde verkrustet, und ihr Gesicht unter der Schmutzschicht aschfahl.
    Dad lag zusammengesunken in seinem Bett. Er hatte die Augen geschlossen und wirkte sehr hilflos. Seine Haut war mit Schweiß bedeckt, und er atmete schwer.
    »Mehr kann ich im Moment nicht für ihn tun«, sagte Karen und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab. Es klang endgültig. Endgültig und hoffnungslos.
    »Was ist denn mit ihm? Ist es … die Tollwut?«, flüsterte ich, sodass mich die anderen nicht hören konnten.
    Karen legte die Hand auf den Türgriff und drehte sich langsam um. Ihre Augen wanderten zu Mom hinüber, die Dads Hand hielt und ihm mit sanfter Stimme von ihrer Hochzeit und den Flitterwochen erzählte. Dads rissige Lippen hoben sich leicht – sonst zeigte er keine Reaktion.
    Was ich auch immer in Karens Miene zu entdecken gehofft hatte – es war nicht da. Mir stiegen Tränen in die Augen. Sie berührte meine Schulter so federleicht, als hätte sie Angst, mich zu zerbrechen. »Es könnte auch an der Infektion an seinem Bein liegen …«
    »Aber gestern hast du gesagt, dass das Bein fast verheilt ist«, unterbrach ich sie.
    Sie sah mich voller Mitgefühl an. »Sherry, wir müssen abwarten. Morgen wissen wir mehr. Solange er keine wei teren Symptome zeigt, kann ich nichts mit Gewissheit sagen.«
    Weitere Symptome der Tollwut – davon redete sie also.
    Karen öffnete die Tür. Bobby und Joshua, die auf den Stühlen vor dem Cottage gesessen hatten, sprangen auf. Joshua sah mich an, und mein Gesichtsausdruck erklärte ihm alles. Er ging auf mich zu, doch ich schüttelte den Kopf, schloss die Tür und ließ Bobby, Karen und Joshua davor stehen. Wenn er jetzt versuchte, mich zu trösten, würde ich zusammenbrechen, und dieses Risiko konnte ich nicht eingehen. Ich musste stark sein. Um meiner Familie willen.
    Mit zusammengebissenen Zähnen ging ich wieder zu Dad hinüber. Mom sah zu mir auf. Ich wollte sie mit netten Lügen und leeren Versprechungen beruhigen, aber ich brachte kein Wort über die Lippen. Langsam entgleis ten ihr die Gesichtszüge. Sie schüttelte den Kopf, immer schneller, bis sich Haarsträhnen aus ihrem Dutt lösten und um ihren Kopf wirbelten.
    Dad öffnete die Augen. Sie musste sich unbedingt zusammenreißen, bevor er begriff, weshalb sie die Fassung verloren hatte. Ich packte ihre Schultern etwas zu fest. »Hör auf«, zischte ich. Sie verzog das Gesicht, verstummte und fiel in den Stuhl zurück.
    Dad hatte alles mitbekommen. Sein Blick wanderte zwischen Mom und mir hin und her. Ich musste alle Kraft aufbieten, um ihn zu erwidern und mich zu einem Lächeln zu zwingen. »Karen sagt, dass es an der infizierten Wunde an deinem Bein liegt. Dir geht’s bald besser. Alles kommt wieder in Ordnung.« Eine Träne rollte meine Wange hinunter.
    Dad setzte sich stöhnend auf und legte seine Hände auf mein Gesicht. »Da hast du sicher recht.«
    Ich nickte, weil ich meiner eigenen Stimme nicht traute.
    »Du bist so stark, Sherry. Viel stärker, als ich es je sein könnte. Du wirst unsere Familie beschützen, wenn ich nicht mehr dazu in der Lage bin, nicht wahr?«
    »Bald bist du wieder ganz der Alte, und dann können wir sie gemeinsam beschützen.«
    Dad sank in das Kissen zurück. »Ich bin stolz auf dich.« Er leckte sich über die spröden Lippen. Ich hielt ihm ein Glas Wasser hin, doch er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich
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