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The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)

The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)

Titel: The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
Autoren: Susanne Winnacker
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Mom hatte mir erzählt, dass er jede Nacht schreiend aufwachte.
    »Können wir durch die Weinstöcke gehen?«, fragte Mia und sah Dad mit ihren großen Augen an. Er warf mir einen Blick zu.
    »Ich muss nur noch … was holen«, sagte ich, rannte ins Haus und nahm den Revolver vom Nachtkästchen. Nach dem Weeper-Angriff würde ich die Weinstöcke nicht unbewaffnet betreten.
    Während wir auf den Weinberg zugingen, genoss ich die kühle, frische Luft. Mom und Marie waren über das Gemüsebeet gebeugt – oder über das, was davon noch übrig war – und zogen Karotten aus der Erde. Der Groß teil des hier angebauten Gemüses war bereits vor Ta gen eingemacht oder für die Fahrt in Holzkisten verstaut worden.
    Mom sah auf. Ihr blondes Haar war ganz zerzaust. Sie wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht und schmierte dabei Erde auf ihre Haut. Dann sagte sie etwas zu Marie und kam zu uns herüber.
    »Was macht ihr denn hier draußen?«, fragte sie. In den letzten Tagen waren ihre Wangen etwas voller geworden, und sie sah fast so aus, wie ich sie aus unserem früheren Leben – dem Leben vor der Tollwut – in Erinnerung hatte. Bevor sich die Stahltür hinter uns geschlossen hatte. Vor 1 663 200 Minuten hatte ich aufgehört, ein Kind zu sein und mich meiner Verantwortung als Erwachsene gestellt.
    »Die Kinder wollten mir mal das Weingut zeigen«, sagte Dad. Er stützte sich auf seinen Gehstock und wischte eine Schmutzspur von Moms Wange. »So. Besser.« Sie tauschten einen zärtlichen Blick aus.
    »Komm doch mit«, sagte er.
    »Ich muss Marie helfen. Ich komme in einer Minute nach, ja?« Sie gab jedem von uns einen Kuss auf die Wange und machte sich wieder an die Karottenernte.
    Es war ein sonniger, windstiller Tag. Jedes Geräusch war meilenweit zu hören. Während wir langsam weitergingen, bemerkte ich, wie Dad sich so schwer auf seinen Stock abstützte, dass dieser ständig im weichen Boden versank, was das Gehen noch mühsamer machte. Immer hin war er inzwischen kräftig genug, um das Cottage zu verlassen. Hoffnung stieg in mir auf – bis ich mich ermahnte, dieser Hoffnung nicht zu trauen.
    »Wisst ihr noch, wie wir in Yosemite campen waren?«, fragte Dad.
    Die Falten verschwanden von Bobbys Stirn. »Na klar. Da ist doch ein Käfer in Sherrys Schlafsack gekrochen. Sie hat geschrien wie am Spieß.« Sein Lachen klang seltsam – als hätte er es verlernt.
    »Sehr witzig«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
    Mia lief zwischen den Weinreben hindurch. Sie streckte die Arme aus, sodass sie die dicken Trauben mit den Fingerspitzen berühren konnte.
    Dad legte die Arme um Bobby und mich. »Das war eine schöne Zeit«, sagte er. Diese Worte stimmten uns nachdenklich.
    Mia rannte den Gang zwischen den Reben hindurch, bis nur noch ein rotes Haarbüschel über einem gelben Kleid zu erkennen war.
    »Komm zurück! Nicht so weit!«, rief ich und legte die Hand auf die Waffe in meinem Hosenbund. Dad folgte meiner Bewegung, und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.
    Ich ließ die Hand sinken und hatte ein schlechtes Ge wissen, weil ich ihm diesen schönen Moment verdor ben hatte. Mia rannte auf uns zu. Ihr Haar loderte wie Flammen.
    Plötzlich blieb Dad stehen und ließ die Arme sinken. Seine Finger verkrampften sich. Er zitterte, der Gehstock fiel zu Boden. Bevor ich ihn erreichen konnte, war er mit zuckenden Gliedmaßen zusammengebrochen.
    Mia schrie los.
    Ich kniete mich neben ihn, versuchte, ihn zu beruhigen, ihn festzuhalten.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Bobby mit hoher Stimme.
    Mias Kreischen schrillte in meinen Ohren.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Bobby noch einmal.
    »Ich weiß es nicht.«
    Dad hörte auf zu zappeln. Er sah mich an. Speichel floss aus seinem Mundwinkel. Er wollte lächeln, doch sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
    »Hol Hilfe, Bobby. Schnell!«
    Nach kurzem Zögern rannte er davon. Ich nahm Dads Kopf auf meinen Schoß und wischte die Spucke beiseite.
    Mia verstummte. »Daddy?«
    »Das wird schon wieder«, flüsterte er.
    Das war gelogen. Was ich am meisten fürchtete, war eingetreten.

»Freust du dich, dass du bald ein kleines Schwesterchen bekommst?«, fragte Dad.
    Ich hatte vor Anstrengung die Zungenspitze zwischen die Zähne geklemmt, während ich mit dem Pinsel über die Wand fuhr und ihn danach in den Farbeimer tauchte. »Ja. Mit Bobby ist es irgend wie nicht so toll.«
    Dad lachte tief aus seinem Bauch heraus. »So schlimm ist er doch gar nicht, oder?«
    Ich
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