Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
sofern du jemanden hast, der dich besuchen will. Hast du jemanden, der dich besucht, Coffey?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe niemand, Boss«, sagte er.
    »Nun, dann dein Anwalt.«
    »Ich glaube, den sehe ich nie wieder«, sagte er. »Der wurde mir geliehen. Ich glaube, der wird den Weg hier herauf in die Berge nicht finden.«
    Ich schaute ihn genauer an, um zu sehen, ob er einen kleinen Scherz versuchte, aber das tat er offenbar nicht. Und ich hatte das auch nicht wirklich erwartet. Berufungen gab es nicht für Leute wie John Coffey, nicht damals; sie bekamen ihren Tag bei Gericht, und dann wurden sie von der Welt vergessen, bis in der Zeitung stand, dass ein gewisser Typ gegen Mitternacht ein wenig Strom verbraucht hatte. Aber ein Mann mit Frau, Kindern oder Freunden, der sich auf die Besuche an den Sonntagnachmittagen freuen konnte, war leichter zu disziplinieren, falls Disziplin ein Problem darstellte. Bei Coffey gab es anscheinend kein Problem, und das war gut. Denn er war so verdammt groß.
    Ich rutschte auf der Pritsche hin und her, und dann sagte ich mir, dass sich meine unteren Regionen vielleicht behaglicher anfühlen würden, wenn ich aufstand, und so tat ich es. Er wich respektvoll vor mir zurück und verschränkte die Hände.
    »Deine Zeit hier kann einfach oder hart sein, großer Junge, es liegt ganz bei dir. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass du es für uns alle genauso gut einfach machen könntest, denn letzten Endes kommt es auf das Gleiche hinaus. Wir werden dich so behandeln, wie du es verdienst. Hast du noch irgendwelche Fragen?«
    »Lasst ihr ein Licht an, wenn es Zeit zu schlafen ist?«, fragte er prompt, als hätte er nur auf die Gelegenheit gewartet.
    Ich blinzelte ihn an. Neuankömmlinge in Block E hatten mir schon viele komische Fragen gestellt – einmal sogar nach der Tittengröße meiner Frau -, aber die noch nie.
    Coffey lächelte ein wenig verlegen, als ob er wüsste, dass wir ihn für blöde halten würden, aber nichts dafür konnte. »Weil ich manchmal ein bisschen Angst im Dunkeln habe«, sagte er. »Wenn es ein fremder Ort ist.«
    Ich schaute ihn an – was war er nur riesig – und fühlte mich sonderbar gerührt. Sie rühren einen, wissen Sie; man sieht sie nicht, wenn das Schlechte in ihnen durchbricht, die Dämonen, die ihre Gräueltaten begehen.
    »Ja, es ist die ganze Nacht ziemlich hell hier«, sagte ich. »Die Hälfte der Lampen längs der Meile ist von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens an.« Dann wurde mir klar, dass er keine Ahnung hatte, wovon ich redete – er konnte nicht mal die Green Mile vom Schlamm des Mississippi unterscheiden -, und so klärte ich ihn auf. »Im Korridor.«
    Er nickte erleichtert. Ich bin mir nicht sicher, ob er wusste, was ein Korridor war, aber er konnte die Zweihundert-Watt-Birnen in ihren Drahtkäfigen sehen.
    Dann tat ich etwas, was ich noch nie bei einem Gefangenen getan hatte – ich reichte ihm die Hand. Selbst heute weiß ich nicht, warum. Vielleicht, weil er Angst vor der Dunkelheit gehabt hatte. Harry Terwilliger blinzelte verwundert, das kann ich Ihnen sagen. Coffey ergriff meine Hand mit überraschender Sanftheit. Meine Hand verschwand fast in seiner, und das war alles. Ich hatte eine weitere Motte in meiner Tötungsflasche. Wir waren fertig.
    Ich trat aus der Zelle. Harry zog die Schiebetür zu und schloss beide Schlösser zu. Coffey stand noch einen Moment da, als wisse er nicht, was er tun sollte, dann setzte er sich auf seine Pritsche, verschränkte die gewaltigen Hände zwischen den Knien und senkte den Kopf wie jemand, der trauert oder betet. Dann sagte er etwas mit dieser sonderbaren Fast-Südstaatenstimme. Ich hörte es ganz deutlich, und ich erschauerte, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nicht viel über seine Taten wusste – man braucht nicht zu wissen, was jemand getan hat, um ihn zu beköstigen und zu pflegen, bis es an der Zeit ist, dass er für seine Schuld bezahlt.
    »Ich kann nichts dafür, Boss«, sagte er. »Ich wollte es zurückhalten, aber es war zu spät.«

3
    »Du wirst Arger mit Percy bekommen«, sagte Harry, als wir den Korridor entlang in mein Büro gingen. Dean Stanton – sozusagen der dritte Mann in meinem Führungsstab; in Wirklichkeit haben wir so was nicht, Percy Wetmore hätte das im Nu geändert – saß hinter meinem Schreibtisch und brachte Akten auf den neuesten Stand, ein Job, für den ich anscheinend nie Zeit hatte. Er blickte kaum auf, als wir eintraten, schob nur seine kleine Brille mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher