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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile
Autoren: Stephen King
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Teil des Inventars – nicht dass es jemals viel gegeben hätte -, ansonsten war sie leer. Das alte Gebäude war eine heiße Holzbude, die sich zwischen den Blocks A und B drängte. Deren Toiletten befanden sich hinten an den Blocks, und in der ganzen Bücherei roch es immer leicht nach Pisse, was vermutlich der einzige gute Grund für den Umzug war. Die Bücherei war ein L-förmiger Bau und nicht viel größer als mein Büro. Ich hielt nach einem Ventilator Ausschau, aber die waren alle schon abmontiert. Es müssen um die vierzig Grad da drin gewesen sein, und ich spürte ein heißes Pochen in meinem Unterleib, als ich mich setzte. Wie bei einem entzündeten Zahn. Ich weiß, das ist absurd, wenn man die Region bedenkt, von der wir hier reden, aber ich finde keinen anderen Vergleich. Es wurde viel schlimmer während und nach dem Pinkeln, was ich getan hatte, bevor ich zur Bücherei gegangen war.
    Nur ein anderer Typ war dort – ein dürrer alter Insasse namens Gibbons, der in einer Ecke mit einem Wildwestroman auf dem Schoß und der Mütze über den Augen döste. Die Hitze störte ihn ebenso wenig wie das Ächzen und Poltern und die gelegentlichen Flüche aus dem Krankenrevier über der Bücherei (wo es mindestens zehn Grad heißer sein musste; ich hoffte, Percy Wetmore genoss es). Ich störte Gibbons ebenfalls nicht, sondern ging zur kurzen Seite des L, wo die Zeitungen und Zeitschriften aufbewahrt wurden. Ich befürchtete, dass sie schon wie die Ventilatoren abtransportiert worden waren, aber das waren sie nicht, und die Sache mit den Detterick-Zwillingen war leicht zu finden; sie hatte vom Tag nach dem Verbrechen im Juni an bis zum Prozess im Juli auf den Titelseiten gestanden.
    Bald vergaß ich die Hitze und das Poltern von oben und Old Gibbons’ Schnarchen. Der Gedanke an diese neunjährigen Mädchen – an ihr blondes lockiges Haar und ihr liebes Bobbsey-Zwillingslächeln – im Zusammenhang mit dem riesigen, finsteren Coffey war unangenehm, aber unmöglich zu ignorieren. Angesichts seiner Größe konnte man sich leicht vorstellen, dass er sie tatsächlich verschlungen hatte wie ein Riese in einem Märchen. Was er getan hatte, war sogar noch schlimmer, und es war Glück für ihn gewesen, dass er nicht gleich dort am Flussufer gelyncht worden war. Das heißt, wenn man es als Glück bezeichnen kann, über die Green Mile zu gehen und sich auf Old Sparkys Schoß zu setzen.

4
    König Baumwolle war im Süden siebzig Jahre vor all diesen Ereignissen entthront worden und würde nie wieder König sein, aber damals in den Dreißigerjahren lebte er wieder ein bisschen auf. Es gab keine großen Baumwollplantagen mehr, aber vierzig oder fünfzig gedeihende Farmen im südlichen Teil unseres Staates. Klaus Detterick besaß eine dieser Farmen. Nach dem Standard der 1950er-Jahre hätte man ihn nur eine Stufe über bettelarm betrachtet, doch in den Dreißigern galt er als wohlhabend, weil er seine Rechnung beim Kaufmann an den meisten Monatsenden in bar bezahlte und dem Bankdirektor in die Augen schauen konnte, wenn sie sich zufällig auf der Straße begegneten. Das Farmhaus war sauber und geräumig. Zusätzlich zur Baumwolle gab es Hühner und ein paar Kühe. Klaus Detterick und seine Frau hatten drei Kinder: Howard, der zwölf oder so war, und die Zwillinge Cora und Kathe.
    An einem warmen Abend Anfang Juni dieses Jahres baten die Mädchen um die Erlaubnis ihrer Eltern, auf der Verandaschlafen zu dürfen, die entlang einer Seite des Hauses verlief. Das war ein großes Abenteuer für sie. Ihre Mutter gab ihnen kurz vor neun Uhr den Gutenachtkuss, als das letzte Licht am Himmel erloschen war. Sie sah die Mädchen erst wieder, als sie in ihren Särgen lagen und der Leichenbestatter den schlimmsten Schaden kaschiert hatte.
    Landfamilien gingen damals früh zu Bett – »wenn es dunkel unter dem Tisch wird«, pflegte meine Mutter zu sagen – und schliefen tief und fest. Gewiss taten das auch Klaus, Marjorie und Howie Detterick in jener Nacht, in der die Zwillinge verschwanden. Klaus wäre sehr wahrscheinlich von Bowser, dem großen Colliemischling der Familie geweckt worden, wenn er gebellt hätte, aber Bowser bellte nicht. Nicht in dieser Nacht und niemals wieder.
    Klaus stand beim ersten Tageslicht auf, um die Kühe zu melken. Die Veranda befand sich an der vom Stall abgewandten Seite des Hauses, und Klaus kam nicht in den Sinn, nach den Mädchen zu schauen. Dass Bowser sich nicht zu ihm gesellte, war ebenfalls kein Grund zur
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