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The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

Titel: The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
Autoren: O'Brien Caragh
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also noch?«, staunte er. »Wie lange bist du schon unterwegs?«
    Sie dachte zurück an die Zeit im Ödland, doch die Erinnerung verschmolz ungezählte Tage voll Einsamkeit, Schmerz und Hunger zu einem schwarzen Klumpen. »Das Milchpulver für Maya hat zehn Tage gereicht. Danach habe ich den Überblick verloren. Ich habe eine Oase gefunden und ein Kaninchen gefangen. Das war vor vielleicht zwei Tagen. Ich bin mir nicht sicher.« In der Oase hatte eine Leiche gelegen. Sie hatte keine sichtbaren Verwundungen gehabt und war ihr wie ein Vorbote ihres eigenen drohenden Hungertods erschienen. Und doch hatte sie es bis hierher geschafft.
    »Du bist jetzt in Sicherheit«, sagte er. »Beinahe zumindest.«
    Der Weg stieg ein letztes Mal an und beschrieb eine Biegung. Zu ihrer Rechten senkte sich das Land und ging in eine riesige blaugrüne Fläche über, die sich bis zum östlichen Horizont erstreckte. Wo sie nicht von kleinen grünen Hügelchen durchsetzt war, spiegelte sich der Himmel darin.
    Der Anblick verwirrte Gaia, und erst wollte sie ihren Augen nicht trauen. »Ist das ein See?«
    »Das ist der Sumpf. Der Nipigonsumpf.«
    »Ich habe noch nie etwas so Schönes gesehen«, sagte sie.
    Sie beschirmte die Augen mit der Hand und bestaunte den Anblick. Gaia hatte sich in ihrer Kindheit oft vorzustellen versucht, wie der Trockensee ausgesehen haben mochte, als er noch voll Wasser gewesen war – aber ihr wäre nie der Gedanke gekommen, dass es wie ein zweites Stück Himmel unterhalb des Horizonts aussah. Der Sumpf schien einen Großteil der sichtbaren Welt einzunehmen: halb schlangengleiche Wasserpfade, halb Flecken von Grün, mit drei Inseln in der Ferne. Selbst von hier oben konnte sie die kühle Frische der Luft schmecken, mit einer scharfen Lehm- und Schlammnote gewürzt.
    »Wie kann es nur so viel Wasser geben?«, fragte sie. »Weshalb ist nicht alles verdunstet?«
    »Das meiste Wasser ist ja auch weg. Das ist alles, was von einem See aus der Kalten Zeit geblieben ist, und der Wasserspiegel sinkt mit jedem Jahr.«
    Sie zeigte auf eine dunkle Fläche, die unter der Brise träge Wellen schlug. »Was ist das dort drüben?«
    »Da hinten? Das ist unser Reisfeld«, sagte er. »Schwarzer Reis.«
    Der Pfad beschrieb eine lange Linkskurve am Steilufer entlang, und dann konnte Gaia sehen, dass die Gegend sich zu einem weitläufigen, V-förmigen Tal hin senkte, an dessen breitem Ende der Wald bis zum Ufer des Sumpfes reichte. Ein Flickenteppich von Wäldchen, Äckern und Gärten erstreckte sich vor ihr, zusammengenäht von Feldwegen und mit drei Wassertürmen festgeheftet. Ein Grüppchen Männer arbeitete an Ruderbooten und Kanus, wo der Weg auf den Strand traf.
    »Havandish!«, rief der Reiter. »Beeil dich und sag der Matrarch, dass ich ein Mädchen mit einem halb verhungerten Baby gefunden habe. Sie braucht eine Amme!«
    »Wir treffen uns am Mutterhaus«, antwortete der Mann. Dann schwang er sich auf ein Pferd und galoppierte voran. Die anderen drehten neugierig die Köpfe.
    »Wer ist die Matrarch?«, fragte Gaia.
    »Lady Olivia. Die Herrscherin von Sylum«, sagte er.
    Er lenkte sein Pferd rasch über den Strand zum Dorf hin. Einmal strauchelte das Tier, und Gaia hielt sich am Horn fest, doch dann fing es sich wieder.
    »Fast geschafft, Spider«, lobte der Reiter. »Braver Junge.«
    Das unter seiner Doppellast schweißgebadete Pferd wackelte mit dem Ohr und zwang sich voran. Die Straße beschrieb eine weitere Kurve und endete unvermittelt an einem ovalen Platz, der von Eichen und rustikalen Holzhütten gesäumt war. Ein paar einfach gekleidete Menschen unterbrachen ihre Arbeit, als sie näher kamen.
    Ihnen gegenüber, jenseits der sonnenbeschienenen Straße, erhob sich ein großes Haus aus sauber verarbeiteten Balken. Davor standen vier Holzgestelle in einer Reihe, wie die Einzelteile eines Zauns. Gaia wurde einer gebeugten Gestalt im letzten der Gestelle gewahr, und es dauerte eine Schrecksekunde, ehe sie begriff: Es waren Pranger, und die dunkle Gestalt ein zusammengesackter Gefangener, der in der Mittagshitze bewusstlos geworden oder schon tot war.
    »Weshalb steht dieser Mann da am Pranger?«, fragte sie.
    »Versuchte Vergewaltigung.«
    »Geht es dem Mädchen gut?«, fragte Gaia. An was für einem Ort bin ich hier gelandet?
    »Ja«, sagte er und stieg hinter ihr ab. Er tätschelte dem Pferd den Hals und wandte sich ihr zu, energisch und bärtig, stark und schlank. Er ist noch ganz jung , dachte sie überrascht, als sie ihn
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