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The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

Titel: The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
Autoren: O'Brien Caragh
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entschlossen in den Sattel. Sie hielt sich am Horn fest, um ihr Gleichgewicht zu halten, und schwang ein Bein auf die andere Seite. Er reichte ihr das Fläschchen und ihren Umhang, dann packte er ihre wenigen Habseligkeiten in ihren Rucksack und warf ihn sich über die Schulter.
    »Wohin reiten wir?«, fragte Gaia.
    »So schnell es geht nach Sylum. Ich hoffe, wir sind noch nicht zu spät.«
    Sie rutschte nach vorn und zog ihr Kleid zurecht. Oberhalb der Stiefel konnte sie die kalte Nachtluft an ihren Beinen spüren. Der Mann stieg hinter ihr auf, und sie machte ihm Platz. Dann griff er um sie herum und nahm die Zügel auf.
    »Hü, Spider!«
    Zuerst kam Gaia der Gang des Pferds sehr ruckhaft vor, doch sobald sie sich entspannte und mit den Bewegungen mitging, wurde es angenehmer. Hinter ihnen stand der fast volle Mond tief am westlichen Himmel, sodass sie Schatten vor sich auf den Weg warfen. Gaia schaute nach rechts, nach Süden, wo die Enklave und alles, was sie zurückgelassen hatte, schon lange hinter dem dunklen Horizont verschwunden waren.
    Zum ersten Mal seit Tagen begann sie daran zu glauben, dass sie vielleicht überleben würde. Fast schmerzte die neu entfachte Hoffnung, und die lichtlose Einsamkeit, die sie beim Gedanken an Leon überkam, schien ebenso real wie die schützenden Arme des Fremden. Sie hatte Leon verloren. Sie würde nie erfahren, ob er noch lebte, und diese Ungewissheit war fast noch schlimmer als das sichere Wissen um den Tod ihrer Eltern.
    Ihre Schwester könnte sehr gut die Nächste sein. Gaia ließ die Hand in die Schlinge gleiten und tastete behutsam nach dem warmen Kopf des Babys, sorgsam darauf bedacht, dass ihr Umhang nicht seine Atmung behinderte. Dann gestattete sie ihren Augen zuzufallen. »Maya stirbt«, sagte sie nach einer Weile.
    Erst gab der Mann keine Antwort. Wahrscheinlich, dachte sie, war es ihm egal. Dann aber regte er sich vorsichtig hinter ihr.
    »Das könnte passieren«, gab er leise zu. »Leidet sie sehr?«
    Nicht mehr , dachte sie. Mayas Weinen war die letzten Tage schwer zu ertragen gewesen. Diese fast endgültig wirkende Stille aber brach ihr vollends das Herz. »Nein«, antwortete sie.
    Sie sank in sich zusammen. Vage nur war sie sich der sanften Stärke bewusst, mit der er sie und das Kind zu stützen versuchte. Weshalb die Hilfsbereitschaft eines Fremden ihre Trauer und Verzweiflung noch verschlimmern sollte, war ihr zwar nicht klar, doch so war es. Ihre Beine waren eiskalt, doch ansonsten wurde ihr bald wärmer. Und irgendwann, eingelullt vom gleichmäßigen, unermüdlichen Traben des Pferds, erlag sie der Verheißung des Vergessens und schlief ein.
    Gaia war, als vergingen ganze Jahre, bis sie sich einer leichten Veränderung bewusst wurde. Alles tat ihr weh, und sie saß noch immer im Sattel, doch sie hatte sich und das Baby in die Sicherheit spendenden Arme des Fremden sinken lassen. Gaia holte tief Luft und schlug die Augen auf. Das Baby war warm und seine Haut durchscheinend und fast blau in ihrer Blässe, doch es atmete noch. Sonnenschein lag auf dem kleinen Gesicht, und als Gaia den Kopf hob, stellte sie verwundert fest, dass sie sich in einem Wald befanden.
    Kleine Staubflöckchen tanzten in den Sonnenstrahlen, die das Dach aus Laub und Kiefernnadeln durchstachen. Die lichtdurchflutete Luft war feucht und reichhaltig und fühlte sich ganz anders an in ihren Lungen als die des Ödlands. Mit jedem Atemzug spürte Gaia, wie Wärme ihre Glieder durchströmte.
    »Was ist das«, fragte sie, »in der Luft?«
    »Das ist bloß der Wald«, sagte er. »Vielleicht riechst du den Sumpf. Wir haben es nicht mehr weit.«
    Selbst wenn es in Wharfton geregnet hatte, war es ihr immer so vorgekommen, als wäre die Luft zwischen den einzelnen Tropfen stets trocken geblieben, hungrig nach Nässe. Hier dagegen fühlte sich selbst die raue Haut zwischen ihren Fingern wieder geschmeidiger an.
    »Du redest im Schlaf«, stellte der Reiter fest. »Ist Leon dein Mann?«
    Der Gedanke war ebenso grotesk wie traurig. »Nein«, sagte sie. »Ich bin nicht verheiratet.«
    Sie senkte den Blick zu der Kette mit der Uhr ihrer Mutter, die Leon ihr zurückgegeben hatte. Sie zog sie zurecht, bis sie wieder gerade hing, öffnete ihren Umhang und streckte sich. Der Mann ließ ihr den Platz und hielt die Zügel nur mit einer Hand. Seine Fingernägel, sah sie, waren kurz und sauber.
    »Woher kommst du?«, fragte er.
    »Aus dem Süden. Wharfton, auf der anderen Seite des Ödlands.«
    »Das gibt es
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