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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht
Autoren: Chiara Strazzulla
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Schicksal des Steines, und alle stimmten überein, dass er gefährlich sei und so verwahrt werden müsse, dass er für niemanden erreichbar sei. Alle acht Völker beschlossen, sich in den Dienst der gemeinsamen Sache zu stellen, und man baute den Undurchdringlichen Hort, eine Festung im tiefen Wald, die niemand je betreten konnte, wie kunstreich er es auch versuchen mochte. Den Stein wollte man in den zentralen Raum des Undurchdringlichen Hortes stellen, mitten in ein Labyrinth aus Stollen und verschlungenen Gängen, dessen genauer Plan nur dem Baumeister bekannt war. Dieser – ein Elbe – baute die Festung von außen nach innen, und während seiner Arbeit sprachen die Magier aller Völker von außen Wachzauber, die Tunnel und Flure schützen sollten.
    Als der Baumeister dazu kam, den letzten Raum um den Stein zu errichten, war der Weg nach draußen schon durch zweihundert mächtige Zauber versperrt, von denen jeder einzelne nur dem Magier bekannt war, der ihn ausgesprochen hatte. So blieb der Baumeister im Innern des Hortes zurück, um zu sterben. Es war ein Schicksal, das er selbst gewählt und mit Heldenmut akzeptiert hatte, und auf diese Weise fand der Frieden der Völker sein neuntes Opfer. Der Undurchdringliche Hort aber, Bollwerk des Friedens, war jetzt tatsächlich undurchdringlich geworden. Niemandem würde es je gelingen, den Weißen Stein zu berühren und ihm von Neuem die dunkle Macht zu entziehen, die er in sich trug. Von da an gab es auf der Welt nur noch weiße Magie, die rein und gut und aus dem Weißen Idol entstanden war. Und die Völker lebten in Frieden und ohne Angst.
    Zum dritten Mal riefen sie nun den Großen Rat zusammen und übergaben dessen Führung an Sarandon und die Elben. Und genauso, wie sie aus gemeinsamer Not eine Kriegsallianz eingegangen
waren, schlossen sie jetzt Frieden und teilten friedlich untereinander die Reiche auf, sodass niemand davon einen Schaden oder einen Vorteil hatte. Sie lebten im gegenseitigen Einvernehmen, in Freundschaft und Respekt, und so begann mit der zweiten Allianz das vierte Zeitalter der Großen Zeitrechnung. Sie nannten es »das Zeitalter des großen Friedens«.
    Aber es stand auch geschrieben, dass alle Zeitalter früher oder später enden müssen. Und dieses machte keine Ausnahme.

ERSTER TEIL
Die Schlimmsten der Schlimmen

EINS
    D ER HIMMEL HING voller dunkler, bleischwerer Wolken. Sie sahen aus wie eine Glocke, die sich über die Erde gesenkt und in der spitzen Fiale des Turmes verfangen hatte, der Astu Thilia bewachte, die Mondstadt, die Hauptstadt des Elbenreiches. Kein Sonnenstrahl drang durch die dichten Wolken und es wehte ein kalter Wind. In diesem Jahr war der Winter früher als sonst hereingebrochen. Das Nordtor war offen und zu beiden Seiten standen die Wachen regungslos in den rot-goldenen Uniformen der Stadt. Hoch auf den weißen, mächtigen Mauern, die trotz der fehlenden Sonne glänzten, beugte sich ein junger Mann über die Brüstung und winkte mit einem Taschentuch, als wolle er den ankommenden Reisenden begrüßen. Nur wer genauer hinschaute, bemerkte, dass es sich da oben keineswegs um ein lebendiges Wesen handelte, sondern um eine Statue, die Verkörperung des Nordens, gehüllt in einen schweren Umhang, mit kantigen, von der Kälte gezeichneten Gesichtszügen und mit vom Wind zerzausten Haaren.
    Über allen vier Toren, die sich in den imposanten, weißen Mauern von Astu Thilia öffneten – sie waren von den Elbenzauberern aus einem einzigen weißen Felsblock geschnitten worden –, wurde der Wanderer, der auf die Hauptstadt zuging, von vier Statuen begrüßt. Sie stellten die vier Himmelsrichtungen dar, und selbst an einem so dunklen Tag wie diesem kündigten sie ihm freudig an, dass er in der Stadt in Frieden aufgenommen würde.

    Dhannam Sulpicius, der jüngste Sohn des Elbenkönigs Gavrilus Sulpicius, hätte gern einige Hundert Jahre des tausendjährigen Lebens, das noch vor ihm lag, dafür hergegeben, um die Statue des Nordens jetzt als jemand zu sehen, der die Stadt betrat, und nicht als derjenige, der sie verließ. Denn einer Lichtspiegelung oder vielleicht auch einem Kunstgriff des Bildhauers war es zu verdanken, dass der Gesichtsausdruck der Statue dem Reisenden, der die Stadt hinter sich ließ, Trauer des Abschieds vermittelte. Die Statue wirkte dann genauso melancholisch und betrübt, wie sie bei der Ankunft fröhlich und strahlend ausgesehen hatte.
    Dhannam liebte seine Heimatstadt, vom dunkelsten kleinen Sträßchen
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