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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht
Autoren: Chiara Strazzulla
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mäßigte Alfargus’ Ungestüm, und Alfargus’ Realitätssinn glich Dhannams Neigung zu träumen aus. Sie waren wie zwei Seiten einer Medaille.
    Ganz anders General Amorannon Asduvarlun, der den drei Mitgliedern der Königsfamilie auf einem kraftvollen rotbraunen Hengst folgte. Asduvarlun war ein Mann der Waffen und hätte gar nichts anderes sein können: Er hatte diese Rolle so sehr verinnerlicht, dass er sie trug wie eine zweite Haut. Hätte ihn jemand in Zivil und weit entfernt von Astu Thilia auf der Straße getroffen, an einem Ort, wo ihn niemand kannte, und hätte dieser
jemand nur einen Augenblick lang seine Haltung, seinen Gang, den Gesichtsausdruck gesehen, hätte er ganz sicher gesagt: »Dieser Mann ist Soldat.«
    Asduvarlun war hochgewachsen, kräftig, hatte breite Schultern und sein Körper war gestählt von Jahren harter Übungen und strengster Disziplin. Er stand jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf, um ein Bad im Fluss Thilevan zu nehmen, der durch die Stadt floss und von dem es hieß, dass er selbst am heißesten Sommertag noch eiskalt war. Dort schwamm der General nackt im Januarschnee. Als ihm die Aufgabe übertragen wurde, Alfargus im Gebrauch der Waffen zu unterrichten, hatte er ihn zu den gleichen Mühen gezwungen, die er selbst auf sich nahm, und keine Rücksicht darauf genommen, dass sein Schüler der Thronfolger war.
    In der ersten Zeit hatte der Prinz nach Stunden der Anstrengung erschöpft protestiert: »Ich kann nicht mehr.« Und Asduvarlun hatte gleichgültig erwidert: »Dann mach weiter.« Erst als es Alfargus gelang, stundenlange Übungen klaglos und ohne Keuchen durchzuhalten, hatte Asduvarlun ihm ein schwaches Lächeln gegönnt und gemeint: »Jetzt kannst du aufhören.« Noch am gleichen Tag war er zu Gavrilus gegangen und hatte ihm mitgeteilt, die Erziehung seines Sohnes sei abgeschlossen. Dhannam war sehr erleichtert darüber gewesen, dass er nicht den gleichen schrecklichen Lehrmeister zugeteilt bekommen hatte. Offen gesagt grenzte seine tiefe Ehrfurcht vor dem General schon an Angst.
    Der Name, den das Volk Asduvarlun gegeben hatte, sagte viel über ihn aus: Es nannte ihn den »eisernen General«. Und eisern wirkte er tatsächlich mit seiner stolzen, undurchdringlichen Miene, den taillenlangen silbernen Haaren, dem markanten Kinn, den grauen, stolz blickenden Augen. Er war immer ernst, durch nichts zu erschüttern, lächelte äußerst selten. Er war wortkarg und sagte nur das Nötigste, um so wenig Zeit wie möglich zu vergeuden, und wenn er sprach, waren seine Sätze knapp und
entschieden. Als General der Leibwache des Königs hätte er unzählige Privilegien genießen können, aber er lebte spartanisch. »Ich möchte nur das, was ich unbedingt brauche«, sagte er gewöhnlich, um dann hinzuzufügen: »Und ohne das auszukommen, muss ich noch lernen.«
    Trotzdem lächelte der General nun, während er sich im Sattel vorbeugte, und es war ein ehrliches und offenes Lächeln. Die Frau, der es galt, erwiderte es, und es sah aus, als würde ihre Freude seine widerspiegeln. Ihre Hand ruhte auf dem Steigbügel, in dem der Fuß des Generals steckte, und der Blick, den sie und Asduvarlun tauschten, verriet viel über die Art ihrer Beziehung.
    Die offensichtlich schwangere Frau hieß Adilean Eletilla, und wie alle Frauen der Völker trug sie den Familiennamen ihrer Mutter. Die Elbenprinzessin war Gavrilus’ einzige Tochter. Sie war zwei Jahre älter als Dhannam und hatte die gleichen mahagonibraunen Haare wie er, aber bei ihr waren sie gelockt wie die ihres anderen Bruders Alfargus, und sie hatte auch die gleichen durchdringenden dunklen Augen wie er. In ihrem weißen Gewand wirkte sie gleichzeitig zart und zäh, schön und gefährlich wie eine Flamme, kalt und hart wie der Winter. Sie und General Asduvarlun waren verlobt und nach dem Gesetz der Elben würde man sie unmittelbar nach der Geburt ihres ersten Sohnes vermählen – und der Tag war nicht mehr fern.
    Dass der gestrenge General sich in Gavrilus’ willensstarke, anmutige junge Tochter hatte verlieben können, hatte viele erstaunt, besonders die, die glaubten, er hätte keine gesellschaftlichen Bindungen. Dass sie sich in ihn hatte verlieben können, war die noch größere Überraschung gewesen, vielleicht sogar für Asduvarlun selbst. Er war ein gestandener Mann, sie beinahe noch ein junges Mädchen. Sie war eine Prinzessin, gewöhnt, über alles zu verfügen, er ein Soldat, der gelernt hatte, auf alles zu verzichten. Und trotz
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