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Teuflische List

Teuflische List

Titel: Teuflische List
Autoren: Hilary Norman
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Tanten. Ihre einzige überlebende Großmutter – Paul Graves’ Mutter, die genau wie Patricia nie herausgefunden hatte, was mit ihrem Sohn nach dessen Verschwinden geschehen war – litt an Demenz und lebte in einem Pflegeheim, während Grahams Eltern längst gestorben waren.
    Zum Glück, ging es Silas durch den Kopf.
    Damit war nun er das Familienoberhaupt.
    »Dir wird nichts geschehen«, tröstete er seine Schwester. »Ich kümmere mich um dich.«
    »Ich weiß«, sagte Jules und weinte in seinen Armen.
    Silas kümmerte sich um alles. Er ließ die Leichen nach Hause fliegen und wies den Bestatter an, seine Mutter ihren Wünschen gemäß beizusetzen, während sein Stiefvater – der keine diesbezüglichen Anweisungen hinterlassen hatte – kremiert werden solle. Falls jemand in Grahams Namen Einwände erheben wolle, stehe es dem Betreffenden frei, eigene Arrangements zu treffen.
    »Sollten sie nicht nebeneinander bestattet werden?«, fragte die entsetzte Jules ihren Bruder.
    »Nein«, erwiderte Silas mit kalter Stimme.
    »Aber es kommt mir so … so …« Jules’ Stimme geriet ins Wanken, und der Schmerz war ihr deutlich anzusehen.
    »Sag schon. Wie kommt es dir vor?«, hakte Silas nach.
    »Unfreundlich«, sagte Jules. »Irgendwie nicht richtig.«
    Silas weigerte sich mehr als eine Woche lang, mit Jules zu sprechen. Er verstand sich gut darauf, seine weichherzige Schwester leiden zu lassen. Er wusste, dass er sie bestrafen konnte, indem er ihr die kalte Schulter zeigte, und dass es nicht lange dauern würde, bis sie ihn anflehte, ihr zu verzeihen – was er natürlich tun würde, denn er liebte sie. Außerdem war sie jetzt alles, was er noch hatte.
    In diesem Fall wurde das Pardon am darauf folgenden Sonntag gewährt, nachdem Jules ihm seinen heiß geliebten Schweinebraten in Apfelsoße zubereitet hatte. Auch wenn die Kruste nicht annähernd so kross und schmackhaft gewesen war wie bei Patricias Schweinebraten, war das Essen nicht übel, und Silas erkannte die Mühe durchaus an, die Jules sich gemacht hatte – besonders angesichts der Trauer, die sie litt.
    »Du wirst mich nie wieder so enttäuschen, nicht wahr, Jules?«, fragte er nach dem Essen.
    »Wieder?« Sie wirkte verzweifelt.
    »Du hast meine Entscheidung in Bezug auf Graham infrage gestellt«, sagte Silas.
    »Doch nur, weil ich gedacht habe, es hätte Mami nicht gefallen.«
    »Mami ist aber nicht mehr hier«, sagte Silas mit deutlich sanfterer Stimme. »Es gibt nur noch dich und mich,Jules, und ich muss wissen, ob du auf meiner Seite stehst.«
    »Immer!«, antwortete Jules leidenschaftlich.
    Sie umarmte ihn und weinte vor Erleichterung, dass er ihr vergeben hatte. Einen Augenblick lang, als er ihre Umarmung erwiderte, glaubte Silas beinahe, er hätte ihre Mutter wieder. Ihre echte Mutter, die Prä-Graham-der-Fremde-Mutter.
    »Würde es dir etwas ausmachen …«, seine Gefühle schnürten ihm die Kehle zu, »heute Nacht in einem Bett mit mir zu schlafen?«
    Nur eine Woche nach ihrem Tod hatte er Patricias und Grahams Schlafzimmer für sich beansprucht, hatte die Habseligkeiten seines Stiefvaters zusammengepackt, in einem der beiden Gästezimmer verstaut und seine eigenen Sachen aus seinem alten Zimmer herübergeschafft. In seinen Augen war es vollkommen richtig, wieder in dem Bett zu liegen, in dem er und seine Mutter so wunderbar zufrieden gewesen waren, bevor Graham in ihr Leben getreten war, zumal er sich einsam gefühlt und keine Nacht gut geschlafen hatte.
    »Natürlich macht es mir nichts aus«, sagte Jules nun, »wenn du dich dann besser fühlst.«
    »Gut«, sagte Silas und löste sich aus ihrer Umarmung.
    Jules sah Tränen in seinen Augen. Sie streckte die Hand aus und streichelte ihm zärtlich über die Wange.
    »Armer Silas«, sagte sie.
    Eines Nachts wachte er auf und lag im Bett seiner Mutter, nur wenige Zentimeter von seiner Schwester entfernt, und hatte eine Erektion.
    Eklig.
    Patricias Stimme hallte so klar und deutlich in seinemKopf wider, dass sie genauso gut neben seinem Bett hätte stehen können.
    Silas atmete tief durch, rutschte vorsichtig von dem Federbett herunter, schnappte sich seinen Bademantel und schaffte es ins Bad.
    Er war noch immer hart.
    Lächerlich.
    Während Silas im Badezimmer hockte, unter einem Handtuch masturbierte und sich wünschte, er hätte daran gedacht, das Türschloss reparieren zu lassen, sagte er sich, dass seine Mutter nun fort war. Und selbst wenn nicht – er war jetzt ein Mann, ein Mann, verdammt
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