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Teuflisch erwacht

Teuflisch erwacht

Titel: Teuflisch erwacht
Autoren: Simone Olmesdahl
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köstlich duftete. »Backfisch. Vom Weihnachtsmarkt.«
    Anna beobachtete, wie sich Marla aus der Jacke schälte, und vermied es, die Essenstüte anzusehen. Sie wollte nicht wahrhaben, dass in wenigen Tagen Weihnachten war und, noch schlimmer, ihr Geburtstag bevorstand. Wer sagte, dass Gott keinen Humor besaß? Seit Jahren sehnte sie den Tag herbei, an dem sie endlich achtzehn würde. Ihr Ticket in die Freiheit. Wie oft hatte sie sich über das Zusammenleben mit ihrer Stiefmutter Sally geärgert? Sie hatte sich geschworen, ihr und Paps auf die Minute genau den Rücken zu kehren. Doch nun hatte sich das Blatt gewendet. Die Dinge lagen anders und sie wünschte sich von Herzen, den Tag mit ihnen verbringen zu dürfen. Schließlich sollte man seinen Geburtstag im Kreis der Familie feiern, frei von Sorgen und Ängsten.
    Pustekuchen, das Kind war längst in den Brunnen gefallen und der Wunsch ein hoffnungsloses Bestreben. Irgendwelche hypergefährlichen Halbwesen trachteten nach ihrem Leben, ihre große Liebe spielte sonst wo allein den Helden und ihre Familie saß irgendwo im Nirgendwo und erinnerte sich nicht einmal daran, dass es sie überhaupt gab. Ihr lächerlicher Wunsch verblasste neben dem, zu überleben.
    »Happy Birthday, Anna«, murmelte sie vor sich hin, wenn auch zwei Tage zu früh.
    »Hast du was gesagt?«, fragte Marla.
    Der Abgrund klaffte auf, entwickelte enormen Sog. Anna stemmte die Beine in den Boden, atmete durch und deutete auf die Zeitung. »Hast du schon reingeschaut?«
    Marla schüttelte den Kopf, ihre feuchten Locken fielen über die Schulter.
    Seit Monaten reisten sie Hinweisen hinterher, die auf Sebastians Aufenthaltsort hindeuteten. Er hatte es offensichtlich erfolgreich geschafft, seine Familie aus Köln fortzulocken. Ein blutiger Pfad pflasterte den Weg der Fingerless , und einige Zeugen hatten an verschiedenen Tatorten einen jungen Mann mit pechschwarzen Haaren und eisblauen Augen gesehen. Die einzigen Indizien darauf, dass er noch lebte. Jedoch hatte sich die Spur im Süden des Landes verlaufen. Seit einigen Wochen suchten sie nach einem neuen Lebenszeichen oder wenigstens einem Mord, der die Handschrift der Fingerless trug. Ein sinnloses Verfahren, aber Marla hatte ihre Vorgehensweise in Eigenregie geändert.
    Ein bitterer Geschmack kroch ihre Kehle hinauf. Anna versuchte, zu schlucken, bevor er einen Kloß bilden konnte – zwecklos.
    Sie setzte sich an den Tisch und blätterte durch die Tageszeitung.
    Marla gesellte sich zu ihr, hantierte mit dem Fisch und überflog die Schlagzeilen über Kopf. »Hier. Das könnte was sein.« Sie tippte mit dem Finger auf einen Artikel und biss in ihr Brötchen.
    »Nein. Da geht es um einen Familienstreit«, erwiderte Anna. Genervt blies sie die Backen auf. Wann sah Marla endlich ein, dass ihre Idee schwachsinnig war, sie auf der Stelle traten und sie bereits genug Unheil angerichtet hatte, als sie Sebastian einfach ziehen ließ? Die wortlose Anschuldigung schloss ihre giftigen Tentakel um ihr Herz.
    Marlas Augen blitzten auf. Sie war klug und las zwischen den Zeilen. Die Atmosphäre knisterte, Luft verwandelte sich in dickes Glas und die unausgesprochenen Vorwürfe verpesteten das Zimmer.
    Anna wagte es nicht, das Thema laut anzuschneiden. Sie hatten die vergangenen Wochen zur Genüge gestritten, ohne dem wahren Grund der Spannungen nur ansatzweise nahezukommen. Sie schob ihr Fischbrötchen von sich. Die Übelkeit klang seit Tagen nicht ab und sie aß unregelmäßig.
    »Du musst etwas essen.« Marla wechselte geschickt das Thema. Mittlerweile entpuppte sie sich als eine wahre Meisterin der Ignoranz, obwohl tiefe Sorgenfalten ihr hübsches Gesicht überschatteten.
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Vielleicht sollten wir morgen abreisen.« Marla sah sie eindringlich an.
    »Und wohin?« Anna schüttelte den Kopf. Das war wohl die Millionendollarfrage, auf die sie keine Antwort wussten. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie sich längst die verschollenen Pergamente unter den Nagel gerissen. Sie brauchten die Handschriften, auch wenn Marla plötzlich engstirnig behauptete, dass es keinen Sinn machte, einem Mythos hinterherzujagen. Anna vertraute auf das Urteil von James Black, dem ehemaligen Jäger, den sie im Jenseits aufgespürt hatte. Er hatte ihr erzählt, dass in den Pergamenten stand, wie sie einen Toten auferstehen lassen konnte, und er vertrat die Meinung, dass sie den ursprünglichen Boten beschwören musste, um Magier und RFBM auszuschalten.
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