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Teufelswasser

Teufelswasser

Titel: Teufelswasser
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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aufzusuchen.
    In der Tat stand den Trauernden in der warmen Frühlingsluft das gesamte Bamberger Kirchen-Panorama der Altstadt wie ein himmlisches Jerusalem nahe vor Augen. Spatzen hüpften unter den Tischen und Stühlen umher; durchs Geäst der Bäume huschten Kohlmeisen, ein Kleiber und sogar ein Buchfink. Die Terrasse war von Obstbäumen, Walnussbäumen und Kastanien umgeben.
    Die Mühsal der Bestattungen hatte wohl appetitanregend gewirkt. Alle Leichenschmaus-Teilnehmer sprachen jedenfalls tüchtig Kräftigendem zu, Kaffee und Kuchen oder Sahnetorten, einer deftigen Suppe, Bamberger Bier, Weißwürsten mit Laugenbrezen oder selbst Bratkartoffeln mit Leberkäse – außer Philipp Laubmann. Er hatte sich nun doch vorgenommen, nachdem er seine Kur bereits am vergangenen Samstag für beendet erklärt hatte und zu einer abschließenden Untersuchung bei Dr. Goergen nicht mehr angetreten war, sein Gewicht konsequent zu reduzieren. Deshalb gönnte er sich nur ein Stück Diätkuchen und verordnete sich sein Lieblingsgetränk Kamillentee.
    Nun gut, ein verfeinerter Geschmack fehlte weitgehend bei solch diätetischen Nahrungsmitteln; die Sinne hatten also wenig davon. Dafür sollte der Geist aufleben. Philipp Laubmann musste endlich seine Habilitationsschrift vor– anbringen. Zusätzlich hatte er sich von Prälat Glöcklein überreden lassen, in Bad Kissingen ein theologisches Seminar im Rahmen der Kurseelsorge abzuhalten. «Schöpferisch abnehmen», lautete das Thema. Als Einleitung wollte Laubmann einen Gedanken Benjamin Franklins über die Mäßigkeit auswählen: «Iss nicht bis zum Stumpfsinn!»
    Der Prälat mochte sich freilich dem Fastenplan des Moraltheologen nicht anschließen, sondern wünschte sich nur ganz uneigennützig, dass Dr. Laubmann bis zum Ende des geplanten Seminars durchhielt. «Ich bin als Kurseelsorger, nicht als Kurgast in Bad Kissingen», hatte Glöcklein mehrfach kundgetan.
    Gabriela Schauberg hatte ihre Kur ebenfalls offiziell beendet. Die drei Wochen waren vorbei. Sie hatte bei den zahlreich erschienenen Mitgliedern des Säkularinstituts Christen in der Welt Platz genommen, denn nicht bloß die Bewohnerinnen des Schlosses, sondern auch die meisten der auswärtig lebenden Frauen waren anwesend. Margarete war eine aus ihrer Mitte gewesen.
    Heinrich Kornfeld, der Gärtner des Instituts, hatte die fromme Agnes Zähringsdorf und die Leiterin, Gertrud Steinhag, als Tischnachbarinnen. Sie umsorgten ihn ein bisschen, um die angeschlagene Gestimmtheit untereinander wieder ins Lot zu bringen. Die gegenseitigen Vorwürfe sollten der Vergangenheit angehören. Gertrud Steinhag hatte ihre rosige Gesichtsfarbe wiedergewonnen.
    Kornfeld, im dunkelbraunen Anzug und ohne Krawatte, kam sich trotzdem zwischen ihnen etwas verloren vor. Er nickte nur, wenn sie mit ihm redeten, und ließ sich ansonsten ein Gericht mit Blut- und Leberwürsten munden. Agnes Zähringsdorf musste sich deshalb des Öfteren abwenden. Ihr blässliches Gesicht wirkte so, als hätte sie eine solch fettige Mahlzeit bereits intus. Nur ihre lindgrünen Augen strahlten Lebendigkeit aus. Die schwieligen Hände des Gärtners bewegten sich ungelenk beim Umgang mit dem Besteck.
    Weil das Institut und die Pfarrei sparsam haushalten mussten, hatte die Mineralwasserproduzentin Elli Hartlieb zugesagt, für die Kosten des Leichenschmauses aufzukommen. Sie wollte ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil sie ja indirekt, durch ihre Kaufabsichten, das böse Geschehen mit angestoßen hatte. Im Gegenzug durfte sie beim Schmaus mit Plakaten, die sie selber aufgehängt hatte, für ihre Mineralwassermarke Waldsprudel werben.
    Die Frauen des Instituts trugen, obwohl sie außerhalb des Schlosses waren, einheitliche Kostüme und Hauben, wenn auch in Schwarz. Elli Hartlieb saß in einem tiefschwarzen Kleid mitten unter ihnen, versuchte sie aufzuheitern und hatte keine Hemmungen, sich eine dicke Portion Leberkäse mit Spiegelei und Bratkartoffeln einzuverleiben.
    Den Kommissaren Glaser und Lürmann war auch mehr nach Frohsinn zumute, konnten sie doch zwei Mordfälle zu den Akten legen. Juliane Vogt, die mit den Kollegen ungezwungen plauderte, war eine Versetzung mit Beförderung angeboten worden; jedoch nicht in Bamberg, sondern in Würzburg, was sie fast ein wenig bedauerte, denn Dr. Philipp Laubmann war ihr inzwischen nicht mehr vollends unsympathisch.
    Sogar Barbara Brender, die Badegehilfin, war zur Beerdigung des Mesners erschienen. Sie war erleichtert, dass die
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