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Teufelspfad

Teufelspfad

Titel: Teufelspfad
Autoren: J. T. Ellison
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Psychiater, aber das ging weit über ein klinisches Verständnis ihrer Person hinaus. Er spürte den Schmerz, den sie empfand. Er wusste, dass sich jedes Mal, wenn sie die Waffe benutzte, ein kleines Stückchen ihrer Seele ins Nichts verflüchtigte. Sie hoffte nur, dass wenn er sie weiterhin liebte, er sie davor bewahren würde, dass sich auch ihre Menschlichkeit verflüchtigte.
    „Hast du ein wenig geschlafen?“, fragte er.
    Sie lächelte. „Der Billardtisch schiebt Überstunden, aber letzte Nacht habe ich auch ein wenig geschlafen.“
    „Du weißt, dass ich oder Sam dir etwas gegen die Schlaflosigkeit geben können.“
    „Sam hat zu tun.“ Sie wandte den Blick ab. „Sie hat viel um die Ohren; die nächste Schwangerschaft hätte nicht so früh kommen sollen. Es zehrt sowohl an ihr als auch an Simon.“
    „Habt ihr beide euch wieder gestritten?“
    „Nein. Sie ist … Ich will einfach nicht durch Medikamente Schlaf finden.“
    Weil ich dann außer Gefecht gesetzt bin und mich nicht wehren kann, wenn er kommt, um mich zu holen .
    Die Stimmung zwischen ihr und Sam Loughley war in letzter Zeit ein wenig angespannt, aber darüber wollte Taylor nicht mit Baldwin reden. Es hatte keinen Sinn, ihn noch mehr aufzuwühlen, als er es bereits war. Lustig war es nicht, sich mit der besten Freundin zu streiten, noch dazu, wenn man täglich beruflich miteinander zu tun hatte, weil sie die leitende Rechtsmedizinerin war. Taylor kannte Sam seit der Vorschule, und sie hatten sich im Laufe der Jahre oft gestritten. Doch sie hatten sich auch immer wieder vertragen, und genauso würde es auch dieses Mal sein.
    Auslöser für die Meinungsverschiedenheit war James „Memphis“ Highsmythe gewesen, ehemals von New Scotland Yard, jetzt neuer Verbindungsoffizier des FBI. Er hatte Taylor eindeutige Avancen gemacht. Taylor hatte den Flirt dummerweise erwidert, und Sam hatte sie zur Ordnung gerufen. An der Situation trug eindeutig Taylor die Schuld, das wusste sie. Aber die ganze Sache ermüdete sie. Sie vermied es beharrlich, an Memphis zu denken, und war sich sicher, dass seine Gefühle für sie abflauen würden, wenn sie unerwidert blieben. Die Sache mit Sam zu klären hieße, doch an Memphis zu denken und an den Kuss, und daran hatte sie keinerlei Interesse. Nicht jetzt. Nicht, wo sich gerade alles so unsicher anfühlte.
    Baldwin nahm ihre Hand.
    „Okay, okay. Wie lief deine Sitzung mit Dr. Willig?“
    „Mit Victoria? Gut.“
    Er spürte die Lüge, sagte aber nichts. Nach dem Schusswechsel, nach all den Toten, all den unschuldigen Leben, die genommen worden waren, hatte Taylors Vorgesetzte Joan Huston darauf bestanden, dass Taylor sich durchchecken ließ, bevor sie in den aktiven Dienst zurückkehrte. Und zwar gründlicher, als es die Vorschriften normalerweise nach einer Schießerei verlangten. Deshalb hatte sie sich mit Willig treffen müssen, der Psychologin der Metro. Taylor hatte genau zehn Minuten mit der Seelenklempnerin verbracht. Sie war nicht in der Stimmung gewesen, über die Einzelheiten des Falles zu sprechen.
    Sie schaute auf das Meer, dessen heranrollende Wellen auf dem Sand brachen, und konnte das Gefühl ein kleines bisschen zu gut nachvollziehen.
    Baldwin merkte, dass Taylor nicht weitersprechen wollte. Also ließ er sich in den Ledersitz sinken und zog sich in seine eigene Welt zurück, um sein Blackberry zu checken. Taylor war erleichtert, dass die Befragung durch ihn vorbei war. Sie hatte immer noch nicht zur Gänze gelernt, ihre Gedanken und Gefühle mit ihm zu teilen. Dazu war sie zu lange alleine gewesen, hatte zu lange alles allein mit sich ausgemacht. Die Tatsache, dass sie jetzt außer ihren Freunden aus Kindheitstagen noch einen weiteren Seelenverwandten gefunden hatte, verstörte sie manchmal. Sie hielt sich immer noch zurück, erzählte nicht alles, was in ihr vorging. Dr. Willig würde ihr sagen, dass das nicht gesund sei, aber Taylor war sicher, irgendwann damit klarzukommen. Sie würde Baldwin heiraten, und zwar bald schon, was bedeutete, dass sie sich gestatten würde, endlich auch die letzten Barrieren einzureißen. Zum Glück war er ein geduldiger Mann, der sie gut genug kannte, um sich zurückzuziehen, sobald er spürte, dass sie dichtmachte.
    Eine oder zwei Meilen fuhren sie schweigend dahin, dann bog der Wagen auf eine mit Muschelschalen bestreute Einfahrt ein – die Zufahrt zum Revier der Polizei von Nags. Das Gebäude war genauso unkonventionell wie der Rest des Ortes Nags Head –
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