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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib
Autoren: Andreas Franz
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Arzt?«
    Juliane schüttelte nur den Kopf, sie konnte noch nicht sprechen, und nickte dann in Richtung ihrer Mutter.
    »Sie? Brauchen Sie einen Arzt?«, fragte er Erika Trautmann.
    »Nein«, antwortete sie mit schwacher Stimme.
    Als sie sich angezogen hatten, ging Brandt vor Juliane Trautmann in die Hocke. »Wie geht es Ihnen?«
    Sie schluckte schwer, ihr Mund war ausgetrocknet, mit heiserer, krächzender Stimme antwortete sie: »Es geht, wir sind nur durchgefroren. Danke, dass Sie uns gerettet haben.«
    »Dank nicht ihm«, sagte Neuendorf, »ich habe Herrn Brandt und Frau Klein hergeführt, ich wollte nämlich nicht, dass du stirbst, Schwesterherz.«
    Brandt und Klein drehten sich gleichzeitig zu Neuendorf um und sahen ihn ungläubig an.
    »Moment«, sagte Elvira mit gerunzelter Stirn und stellte sich vor Neuendorf, »was war das eben?«
    »Ich habe doch gesagt, dass Sie hier die Antwort auf Ihre drängenden Fragen erhalten würden. Darf ich vorstellen, meine Mutter und meine Schwester.«
    »Ist das wahr?«, fragte Brandt Erika Trautmann.
    »Und wenn?«
    »Sie werden es vermutlich nicht gerne hören, aber meines Erachtens trägt sie eine große Mitschuld am Tod der Frauen«, sagte Neuendorf. »Aber fragen Sie sie selbst, warum sie mich nicht abgetrieben, sondern zur Welt gebracht hat, nur um mich gleich nach der Geburt wegzugeben. Erkundigen Sie sich nach meinem Leben in diesem verfluchten Waisenhaus …«
    »Herr Neuendorf«, wurde er von Elvira Klein unterbrochen, »wenn Sie hier einen auf Ich-bin-doch-so-ein-armes-Schwein machen wollen, ist das der denkbar ungünstigste Zeitpunkt. Ich kenne außerdem katholische Waisenhäuser, die großartige Arbeit leisten. Und jetzt schafft ihn raus.«
    »Meine Mutter, diese Hure, ist schuld! Sie allein trägt die Verantwortung, dass ich geworden bin, wie ich bin! Sie allein, sie allein, sie ganz allein! Aber sie wird es niemals zugeben, denn die Vergangenheit existiert für sie nicht!«
    »Warten Sie«, sagte Juliane und ging mit wackligen Schritten auf ihren Bruder zu. Sie sah ihm in die Augen und streichelte sein Gesicht. »Ich fand es abscheulich, was du mit uns gemacht hast, und ich finde es noch abscheulicher, dass du so viele Frauen umgebracht hast. Aber ich werde dich trotzdem im Gefängnis besuchen.«
    »Kommst du zum Prozess?«
    »Ich werde auch zum Prozess kommen. Doch erwarte kein Mitleid, denn kein Mensch hat das Recht, einen Menschen zu ermorden.«
    »Das stimmt. Aber lass mich, bevor ich gehe, noch kurz Nietzsche zitieren: ›Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er dabei nicht zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.‹ Ich habe mehr als die Hälfte meines Lebens mit Ungeheuern gekämpft, und ich habe fast dauernd in den Abgrund geblickt. Das ist keine Entschuldigung, nur eine Feststellung. Mach’s gut und verzeih mir, was ich dir angetan habe.«
    »Geh jetzt«, antwortete Juliane Trautmann und sah ihrem Bruder nach.
    »Was hat er mit den Ungeheuern und dem Abgrund gemeint?«, wollte Brandt wissen.
    »Ich werde es Ihnen erklären, aber nicht jetzt und nicht heute. Ich möchte nur noch nach Hause. Wenn Sie noch Fragen haben, dann stellen Sie diese meiner oder besser unserer Mutter«, sagte Juliane und warf ihrer Mutter einen nicht sehr freundlichen Blick zu.
    »Sie sind also die Mutter von Herrn Neuendorf …«
    »Ich möchte auch nach Hause und keine Fragen beantworten müssen«, sagte Erika Trautmann. »Können Sie mich bitte zu meinem Mann und meinem Sohn bringen?«
    »Selbstverständlich. Wir brauchen aber heute noch Ihre Aussage über das, was heute Nacht geschehen ist. Ich werde mit einem Kollegen am Nachmittag bei Ihnen vorbeikommen.«
    »Wir werden zu Hause sein«, sagte Juliane anstelle ihrer Mutter, die es vorzog, zu schweigen.
    Brandt und Elvira Klein blieben noch einen Moment in dem Keller und sahen sich danach in dem spärlich eingerichteten Haus um. Kurz darauf fuhren sie wieder in Richtung Präsidium.
    »Du hast es geschafft«, sagte Elvira.
    »Ja und nein«, erwiderte er müde. »Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er so schnell zusammenbrechen würde. Andererseits, er hatte einen Schrein in seinem Haus, durch den wir ihn ganz leicht überführen konnten. Ich glaube, er wollte geschnappt werden. Ich frage mich, wie wird jemand zu dem, was er ist? Wie wird jemand zum Monster?«
    »Darauf wirst du nie eine Antwort erhalten.« Elvira fasste ihn bei der Hand. »Du musst doch
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