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Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Titel: Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Autoren: Emilia Jones
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zunächst für eine optische Täuschung.
    Der Fleck blieb bestehen, und je mehr er sich näherte, desto besser waren die Konturen der weißen Frauengestalt zu sehen. Ein Engel saß da auf dem Floß des Fährmannes.
    Der Anblick versetzte Wengodian in Panik. Natürlich war das nicht irgendein Engel, wie ihm schnell bewusst wurde, es handelt sich um den Engel, den er bestohlen hatte.
    »Auch das noch!«, zischte er. Wie von Sinnen schnappte er sich die Flasche und humpelte so schnell er konnte in den nächsten abzweigenden Gang davon. Er hätte es sich leicht machen können und dem Engel die Flasche in Frieden übergeben können. Aber diese Möglichkeit kam für ihn gar nicht erst in Betracht. Was wäre dann mit seinem Stolz und seiner Ehre? Nein, das durfte nicht sein!
    Sein Humpeln ging in ein klägliches Hopsen über, das für jeden Beobachter ein aberwitziges Bild abgegeben hätte. Glücklicherweise war er in diesem Gang wieder allein auf weiter Flur. Er humpelte den Weg entlang, bis ihm die Schweißperlen auf die Stirn traten, und das war für eine Höllenkreatur denkbar unüblich.
    Seine röchelnde Atmung wurde von einem Rasseln begleitet und seine Zunge hing ihm vor lauter Anstrengung halb aus dem Mund. Er machte sich nichts vor. Er wusste, dass er aus dem letzten Loch pfiff. Bewusst wurde ihm diese Tatsache jedoch erst, als ihm die Kräfte endgültig versagten.
    Eine Kuhle im Boden brachte Wengodian ins Stolpern, und er war nicht in der Lage, den daraus resultierenden Sturz abzufangen. Die Flasche mit der Seele flog im hohen Bogen durch die Luft. Er streckte noch die Hände nach ihr aus, bevor er im nächsten Augenblick mit dem Gesicht voran aufschlug. Etwas knackte, er hätte nicht mit Sicherheit sagen können was, vermutete jedoch, dass es sich um seinen Kiefer handelte. Ein stechender Schmerz breitete sich in seinem Kinn und über seine Wangen aus.
    Aus dem Augenwinkel beobachtete er die Flugbahn der Flasche und sah mit Schrecken, wie sie geradewegs auf die nächste Wand zusteuerte. Sie kam auf und das Glas zersprang klirrend in tausend Scherben. Sofort pulsierte das Licht der Seele wieder stärker und sie machte sich ohne Umschweife davon.
    »Was für ein Pech«, sagte Wengodian und blieb einfach am Boden liegen. Was hätte ihm nun noch Schlimmeres widerfahren können?

    »Was war das?«, fragte Marafella entsetzt. Sie hatte das Zerbrechen von Glas nicht nur gehört, sie hatte es auch tief in ihrem Inneren gespürt. Wieder einmal wurde sie von dem Empfinden überfallen, dass hier etwas ganz und gar nicht richtig verlief.
    Der Fährmann schüttelte bedauernd den Kopf, ehe er zum Sprechen ansetzte. »Schätze, deine Suche ist hier nicht länger erfolgreich. Die Seele ist soeben entfleucht.«
    »Entfleucht?«, äffte sie ihn nach. Ihre Stimme nahm einen schrillen Klang an. »Was soll denn das schon wieder bedeuten?«
    »Jemand hat sie gerade aus ihrem Gefängnis freigelassen. Sie schwirrt jetzt unkontrolliert durch die Hölle.« Er hielt kurz inne, um einen nichtssagenden Blick in die Ferne zu werfen. »Das ist gar nicht gut.«
    Der Fährmann erreichte seine Anlegestelle. Er brachte das Floß in eine gerade Position neben dem Felsvorsprung und bedeute Marafella mit einer Geste seiner Knochenhand, das sie von Bord gehen sollte.
    »Wie?« Sie betrachtete ihn als wäre er von allen guten Geistern verlassen. Und im Prinzip, musste sie sich eingestehen, war er das ja auch. »Das soll es jetzt gewesen sein? Nein, das kann nicht dein Ernst sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Du willst mich hier doch nicht etwa absetzen und mir sagen, dass ich allein weiter gehen soll?«
    Er nickte. »Genau das«, bestätigte er zu ihrem Leidwesen. »Selbst wenn ich es wollte, könnte ich dich nicht begleiten. Ich bin an dieses Floß gebunden und muss meine Aufträge abarbeiten. Bis in alle Ewigkeit. Das ist mein Schicksal.« Er warf einen Blick auf die Felswand, in die seine Termine eingemeißelt waren. »In einer halben Stunde muss ich meine nächste Lieferung entgegen nehmen. Ich muss mich also bald wieder auf den Weg machen. Wenn du noch eine Frage hast, dann solltest du sie jetzt stellen.«
    … oder für immer schweigen
, ergänzte sie in Gedanken. Das sollte doch wohl wirklich ein schlechter Scherz sein! Sie verschränkte die Arme vor der Brust. So weit war es schon gekommen, dass ein sanftmütiger Engel wie sie, zu einer typisch menschlich, bockigen Geste neigte. Sie überlegte angestrengt. Was hätte sie den Fährmann noch
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