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Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge

Titel: Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Autoren: Emilia Jones
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pflegte wohl die Angewohnheit, das Erscheinungsbild seiner Residenz zu verändern.
    Durch die Mitte dieser neuen Umgebung zog sich ein Strom von Lava. Auf ihm trieb ein Floß, gesteuert von einer Gestalt, die weder tot noch lebendig zu sein schien. Sie trug einen weiten Umhang, der den größten Teils des Körpers verbarg. Aus den Ärmeln lugten jedoch knöcherne Hände hervor, die den langen Steuerstab führten, und unter der Kapuze erkannte sie ein Paar rot glühende Augen.
    Marafella schüttelte sich unwillkürlich bei diesem Anblick. Sie fragte sich, ob sie lieber davon laufen oder an Ort und Stelle verweilen sollte. Die Entscheidung wurde ihr jedoch abgenommen, ehe sie eine Lösung fand.
    Das Floß hielt direkt neben ihr an einem Felsvorsprung. Das knöcherne Wesen streckte seine Hand nach ihr aus. Marafella verfiel in Schockstarre.
    »Du fragst dich, wer ich bin, und was ich von dir will«, sprach das Knochengesicht.
    Noch ein Seher?
, fragte sich Marafella, aber über ihre Lippen kam kein einziger Ton.
    »Vor mir brauchst du dich nun wirklich nicht zu fürchten. Ich bin nur der Fährmann.«
    Sie atmete erleichtert aus. Von dem Fährmann hatte sie schon gehört. Er geleitete all die verdammten Seelen über den Fluss und brachte sie an einen Ort, an dem sie bis in alle Ewigkeit für die Fehler in ihrem Menschendasein büßen mussten. Eine schreckliche Vorstellung, wie Marafella fand. Aber es gab wohl einfach keine andere Lösung.
    »Mir scheint, du bist auf der Suche nach etwas, das nicht hierher gehört«, stellte der Fährmann fest.
    »Die Seele ist also tatsächlich hier?«, fragte Marafella.
    »Ja«, hauchte er und sein Totenschädel kam ihr dabei unangenehm nahe, »ich habe sie gesehen. In den Klauen eines Verdammten.« Er zeichnete mit einer Hand einen theatralisch großen Kreis in die Luft. Dann stützte er sich auf seinem Ruderstab nach vorne und wirkte dabei so lässig, als wäre er der größte Macho der Unterwelt und sie nur irgendeine Puppe, die er angraben wollte.
    »Ich kann dich hinbringen, Süße.«
    War das gerade ein Zwinkern?
Sie schüttelte den Kopf. Nein, entschied sie, ein Totenschädel war nun wirklich nicht in der Lage zu zwinkern.
    »Das wäre sehr nett«, sagte sie nur und folgte seiner einladenden Geste auf das Floß.

    Wengodian fluchte ununterbrochen, während er die Höllengänge durchschritt und dabei das volle Gewicht der Seele zu spüren bekam. Sie war so verdammt schwer! Es schien keine einfache Flasche mehr zu sein, die er da in Händen hielt, sondern das zentnerschwere Ausmaß der gesamten Unterwelt. Sicher hatte Beelzebub ihm eine Verwünschung hinterher geschickt, um seinen Weg so steinig wie nur möglich zu gestalten.
    Als er den Seelenfluss erreichte, fand er den Fährmann nicht an der gewohnten Anlegestelle. Dabei war es gar nicht an der Zeit, eine Seele überzusetzen. Ein Blick auf den Zeitplan bestätigte ihn. In die Felswand gegenüber der Anlegestelle waren sämtliche Termine eingemeißelt. Sie aktualisierten sich permanent. Aber für diesen Moment stand dort nichts. Demzufolge hätte der Fährmann an Ort und Stelle verweilen müssen, um auf seinen nächsten Auftrag zu warten. So lautete eine Regel der Unterwelt.
    Wengodian grinste hämisch in sich hinein. Allem Anschein nach, war er nicht der Einzige, der gewisse Eigeninitiativen entwickelte. Er stellte die Flasche mit der Seele am Boden ab und beschloss, sich eine kurze Pause zu gönnen. Daran war nichts verwerflich, immerhin gab es weit und breit niemanden, der ihn dabei hätte beobachten können. Mit einem Satz landete er auf dem Hinterteil, lehnte Buckel und Kopf gegen die Felswand und gähnte herzhaft.
    Die Seele in der Flasche zeigte mittlerweile nur noch ein schwaches, graublaues Leuchten. Wengodian wusste nicht, wie lange es tatsächlich dauern würde, ehe sie sich auflöste. Bislang hatte er es nie so weit kommen lassen. Aber aus irgendeinem Grund, war er dieses Mal versucht, es herauszufinden. Er starrte diesen kleiner werdenden Punkt an, der aussah, wie ein Glühwürmchen in tiefster Nacht.
    »So schwach«, säuselte er schläfrig. »So schwach.«
    Beinahe wären ihm die Augen zugefallen, da spürte er mit einem Mal, wie die Flussmasse zu brodeln begann. Ein deutliches Zeichen für die Ankunft des Fährmannes.
    Wengodian blinzelte in die Ferne der Hölle und entdeckte weit hinten das Floß mit der stakenden Knochengestalt, neben ihm ein heller Fleck. Ein weiteres Mal blinzelte Wengodian, denn er hielt es
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