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Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
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von Tag zu Tag ein wenig länger und kälter. Dann kommt der Frost und die Finsternis, beendete Al seinen düsteren Gedankenzyklus, als er draußen vor dem Fenster einen bunten Schmetterling flattern sah, gierend nach einem der dürftigen Sonnenstrahlen, die das Blattwerk durchdringen ließ.
    »Nimm mit, so viel du kannst«, brummte er. Ob der Schmetterling sich dem herannahenden Ende bewusst war? Doch selbst wenn, so würde ihn der Frost, wenn er denn kam, urplötzlich überraschen.
    Einem Impuls folgend legte Al die Luger aus der rechten Hand und erhob sich. Er schritt in Richtung Fenster und zog den knackenden, von unzähligen Farbschichten bedeckten Hebel nach unten. Er nahm die rosa-weiß glänzende, kitschige Porzellanballerina, die alle zwanzig Zentimeter ihres barbiehaften Körpers auf der Zehenspitze balancierend gen Himmel reckte, von der schmalen Fensterbank und riss den Flügel nach innen auf. Zufrieden beobachtete er den hektisch flatternden Falter, der vom plötzlichen Luftsog nach innen gezogen wurde.
    »Draußen verreckst du«, murmelte er, während er das Fenster wieder schloss. Er stellte die Tänzerin an ihren Platz zurück, mittig, denn er wusste, dass seine Frau Leonie die Ordnung der Dinge liebte und ein Auge für solche Details hatte. Verdammt, dachte er dann, du trödelst hier herum. Er zog den Vorhang gerade, wollte bereits losgehen, da fiel ihm noch etwas ein. Al drehte die Porzellanskulptur um hundertachtzig Grad, so dass die Ballerina nach draußen blickte. Die Wohnung dürfte sie nach siebzig Jahren ohne nennenswerte Veränderung wohl zur Genüge kennen, dachte er grimmig, und Leonie wird es schon recht sein. Dann kehrte er zurück zu dem Ohrensessel, neben dem eine doppelläufige Flinte mit dem Schaft nach oben lehnte, und hob die Pistole wieder auf, die er abgelegt hatte. Er betrachtete den Lauf, dessen Metall stumpf glänzte und nach Ballistol roch, denn Al hatte die Waffe vor einigen Tagen gereinigt und poliert. Der untypische Winkel, in dem der Griff weit nach vorn reichte, während der Lauf beim Zupacken einige Zentimeter über der Hand lag, und der Kniegelenkverschluss, dessen Bewegung Al immer wieder zu faszinieren vermochte, machten die Waffe zu etwas Besonderem für ihn. Nicht dass er ein Waffenexperte war, aber er kannte die üblichen Pistolen, und sie erschienen ihm im Vergleich zu seiner uralten Luger langweilig und ohne Charakter. Er wog sie prüfend, trotz ihrer verhältnismäßig geringen Größe wirkte sie ungewöhnlich schwer. Keine Plastikverschalung, alles deutsche Qualität, kam ihm mit einem grimmigen Lächeln in den Sinn.
    »Mit dieser Waffe«, so hatte er seines Großvaters Worte in den Ohren, »haben wir nicht wenige dieses Packs erwischt.« Nicht ohne Stolz und sehr zum Leidwesen seiner Mutter hatte der alte Jäger seinem Enkel die Schusswaffen vorgeführt, die er im Schuppen des Jagdhauses hortete.
    »Was denn?«, hatte Al ihn einmal zu ihr sagen hören, als die beiden zum ersten Mal auf einer Lichtung zusammen geschossen hatten und Mutter daraufhin höchst aufgebracht mit Großvater diskutiert hatte. »Das gehört zu unserer Geschichte, wir haben uns nur verteidigt. Und wenn es einen dieser Bastarde erwischt hat, dann ist das nur recht und billig, denn du siehst ja, zu was sie nütze sind.«
    Ohne Zweifel spielte Großvater auf Als Erzeuger an, von dem er außer einem verwaschenen Schwarzweißfoto nichts kannte. Doch ihn hatten weder seine Familiengeschichte noch die seines Landes je wirklich interessiert. Und das Leben hat mir recht gegeben, sagte er sich stets, denn Familie war vergänglich, das hatte er schmerzlich erfahren müssen, und das Land veränderst du nicht.
    Zwei Patronen, das genügt, sagte sich Al in dem Versuch, seine Gedanken nicht weiter abschweifen zu lassen. Seine Augen suchten den Schmetterling, den er schließlich auf dem Lampenschirm entdeckte, wo er seine rostroten Flügel aufspannte, die von einer schwarzen Maserung durchwachsen waren und an den Spitzen jeweils zwei blau-weiße, runde Flecken aufwiesen, die an Pupillen erinnerten. Wenn sie starben, büßten sie nichts von ihrer Pracht ein, sie waren selbst im Tod noch schön. Ihm kamen die unzähligen aufgespießten Falter im Senckenberg-Museum in den Sinn, seit Jahrzehnten tot, aber noch immer von zeitloser Anmut und Perfektion.
    Er fasste einen Entschluss, stand erneut auf, griff das Schrotgewehr und verstaute es in einem schmalen Schrank in der Garderobe. Ein sauberer Schuss mit der

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