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Tesarenland (German Edition)

Tesarenland (German Edition)

Titel: Tesarenland (German Edition)
Autoren: Savannah Davis
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Manchmal gibt er mir einen Brocken Trockenfleisch, einen Keks oder gar ein Ei für sie mit. Vielleicht ist seine Sorge gut für uns. Trotzdem bleibe ich vorsichtig. Niemand kann Luca richtig einschätzen. Er ist ein Einzelgänger, hält sich von uns anderen die meiste Zeit fern, seit er in die Kolonie gebracht worden ist.
    »Hallo Brenna«, sagt er leise.
    Ich nicke ihm zu und versuche, um ihn herum zu sehen. Hinter ihm ist ein schwarzes Loch im Schnee. Dort muss etwas sein. Etwas ist so heiß gewesen, dass der Schnee an der Stelle geschmolzen ist. Für einen Moment schließe ich vor Erleichterung die Augen. Jetzt muss ich Luca nur noch überzeugen, mit mir zu teilen. Langsam gehe ich näher. Luca erhebt sich. Will er mich aufhalten?
    »Hast du etwas gefunden ?«, frage ich und versuche gleichgültig zu klingen. Ich will nicht, dass er merkt, wie sehr ich hoffe, dass er mit mir teilen wird. Wenn ich zu sehr dränge, macht er vielleicht gleich dicht und ich verspiele meine einzige Chance auf Fleisch.
    Luca blickt auf den Boden hinter sich, dann wieder zu mir. Auch er ist ein Elternloser, aber weil er nicht von hier ist, schenkt man ihm nicht das gleiche Mitgefühl wie uns anderen, was bedeutet, dass er noch mehr hungern muss als wir anderen. Trotzdem teilt er manchmal mit Kayla.
    Er fährt sich mit der Hand durch sein Haar. In der Dunkelheit sieht es schwarz aus, aber ich weiß, dass es dunkelbraun ist , weil ich ihn manchmal heimlich aus der Ferne beobachtet habe. »Ja, ein junges Reh.«
    Ein Reh! Ein Reh ist genug, um zu teilen. Mein Herz schlägt schneller aus Vorfreude. Doch dann dämpft ein Gedanke meine Hoffnung. Es ist Winter. In der kalten Jahreszeit verdirbt das Fleisch nicht so schnell. Er könnte es gut über Tage hinweg aufbewahren. Ich ziehe meine Unterlippe zwischen die Zähne. »Reicht es für uns beide ?«, frage ich vorsichtig.
    Luca senkt den Blick auf seine Füße. Er schüttelt den Kopf. Ich habe fast damit gerechnet, trotzdem war meine Hoffnung groß. Er wirkt meistens abweisend, spricht selten mit jemand aus der Kolonie, aber ich habe schon beobachtet, dass er den kleineren Essen gegeben hat, wenn er geglaubt hat, dass keiner hinsieht.
    Er hat meine Hoffnung zertreten. Ich habe das Gefühl zu ersticken. Kayla, sie muss etwas essen! Mutter wird enttäuscht von mir sein. Ich bin verantwortlich für sie. Nur ich kann verhindern, dass meine Schwester verhungert. Nur wie soll ich sie schützen, wenn es doch nirgends Nahrung gibt. Was, wenn Mutter zurückkehrt und ich habe versagt? Meine Knie geben unter mir nach und ich sacke zu Boden. Aber er hat recht, wir kennen uns doch gar nicht. Warum sollte es ihn interessieren, ob ich zu essen habe? Aber ich könnte ihn wenigstens um etwas Fleisch für Kayla bitten.
    Tränen laufen mir heiß über die Wangen und werden an der kalten Luft sofort zu eisigen Bahnen in meinem Gesicht. »Bitte, nur etwas für Kayla. Sie hat seit Tagen nichts mehr gegessen«, flehe ich ihn an.
    Eigentlich weine ich nicht, ganz besonders nicht vor anderen Menschen. Diese Schwäche erlaube ich mir nicht oft. Schwächen können wir uns nicht leisten. Das sage ich auch Kayla immer. Es ist gut, wenn jeder denkt, du wärst hart. Das verleiht ihnen Respekt vor dir. Das hält sie davon ab, dich zu verletzen. Aber jetzt laufen Tränen über mein Gesicht, weil ich Angst um Kayla habe. Gerade interessiert es mich nicht einmal, dass ich hier vor einem Jungen stehe, den ich kaum kenne, und heule. Kayla ist mir wichtiger als mein Stolz. Soll er doch sehen, dass ich nicht so hart bin wie ich gerne tue.
    »Es tut mir leid«, sagt Luca. Seine Stimme ist so fest, ich möchte am liebsten Schreien. Hat er kein bisschen Mitgefühl? Ich schaue zu ihm auf. In der Dämmerung, die langsam hereinbricht, kann ich sehen, wie seine Wange zuckt. Er scheint nervös. Ich werde wütend und ringe mir ein bitteres Lächeln ab. Langsam stehe ich auf und gehe ein paar Schritte rückwärts. Er soll nicht denken, ich hätte vor, ihn anzugreifen. Aber er soll wissen, dass Kayla verhungern wird, wenn er nicht teilt.
    »Kayla geht es nicht gut«, sage ich deshalb, während ich weiter rückwärtsgehe.
    Plötzlich macht er einen Schritt zur Seite. »Es ist kein Reh«, sagt er. »Ich will nicht, dass du mich hasst, weil du denkst, ich würde nicht mit dir teilen wollen .«
    Ich runzle die Stirn und trete wieder näher an die dunkle Stelle im Schnee heran. Erst kann ich kaum erkennen, was da vor mir liegt. Doch dann sehe ich
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