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Tesarenland (German Edition)

Tesarenland (German Edition)

Titel: Tesarenland (German Edition)
Autoren: Savannah Davis
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dunkelbraunes Haar, eine Narbe zieht sich von seiner rechten Augenbraue über die Wange bis hinunter zum Mundwinkel. Sie würde mich nicht stören. Für Kayla und mich wäre es ein Geschenk, wenn es so kommen würde. Wir könnten in dem Steinhaus leben. Und bestimmt müssten wir nicht mehr Hungern. Die Aufseher bekommen mehr Nahrungsrationen, genug also für drei Esser.
    »J a«, sage ich knapp und lächle noch einmal. Es kann nicht schaden, es zu versuchen. Vielleicht darf er als Oberaufseher sich seine Frau selbst aussuchen.
    Er nickt. »Hier«, brummt er und drückt mir zwei Streifen Trockenfleisch in die Hand. »Heute bekommt jeder noch etwas davon .« Dann zögert er, nickt dem Mann hinter sich zu und dieser greift in eins der erschreckend leeren Regale an der Wand, auf denen früher Lebensmittel aus den Lieferungen standen. Der Mann gibt dem Oberaufseher einen kleinen Leinensack, gerade so groß wie Kaylas Faust.
    »Etwas Reis. Geht sorgsam damit um .«
    Ich greife hastig nach dem Beutelchen. Reis, denke ich aufgeregt. Zumindest hat uns mein Annäherungsversuch einen Beutel Reis eingebracht. »Danke.«
     
     
     
    Kayla
     
     
    Brenna ist heute Morgen früh gegangen. Kayla weiß, sie wird an die Grenze gehen und nach Tierkadavern suchen. Ihr Magen krampft bei dem Gedanken an Essen zusammen. Aber Kayla kann sich nicht darüber freuen, dass ihre Schwester sich in Gefahr begibt. Was, wenn Brenna etwas passiert? Dann wird sie ganz allein zurückbleiben. Das hat sie auch Brenna gesagt, bevor diese gegangen ist. Aber Brenna hat nur abgewunken und gelacht.
    »Papperlapapp, was soll mir denn schon passieren? Ich pass schon auf mich auf. Aber wer weiß, heute Nacht war es stürmisch da draußen, vielleicht hat sich ja ein Wildhund verirrt. Du weißt schon, eins von diesen großen, dunklen Viechern .« Sie hat gelacht, ihre Hände seitlich an ihren Kopf gelegt und mit den Fingern gewedelt, als würden die Ohren des Hundes im Wind flattern. Das hatten sie vor ein paar Jahren mal draußen bei den Karamfeldern beobachten können. Ein Hund, größer als Kayla selbst, war nahe des Lichtzauns gestanden und hatte seinerseits die beiden Schwestern beobachtet. Es war ein stürmischer Herbsttag und der Wind war ihm durch sein Fell gefahren und hatte an seinen langen, herabhängenden Ohren gezerrt.
    Brenna lief vornübergebeugt durch die kleine Hütte, die Holzbretter knarrten unter ihren Füßen, und machte knurrende Geräusche – genau wie der Wildhund damals. Dann lachte Brenna und strich Kayla über den Kopf.
    Kayla hat natürlich genau gewusst, dass Brennas Lachen nicht echt war. Sie hat genauso wenig Lust, sich in Gefahr zu begeben wie Kayla. »Du weißt schon, dass die Hunde viel zu schlau sind, um sich der Grenze zu nähern. Mama hat immer gesagt, dass diese Kerle die Grenze irgendwie erahnen können«, hat Kayla ihre Schwester belehrt. Doch die wollte der jüngeren nicht zuhören. Ob sie überhaupt verstand, dass die Kleinere einfach nur Angst hat?
    Kayla sitzt seit Brenna fortgegangen ist auf dem Bettrand und schaukelt unruhig mit ihren Beinen. Wenigstens hat sie schon ein Feuer im Ofen gemacht, um sich abzulenken. Wenn sie nichts zu tun hat, kommen nur wieder diese trübsinnigen Gedanken, die sich immer mehr und mehr in panische verwandeln. Sie hasst es, dass sie Brenna so wenig helfen kann, und dass sie gar nicht weiß, ob sie noch wohl auf ist. Kayla knabbert auf ihrer Unterlippe. Ihre große Schwester gibt sich wirklich Mühe, aber sie kann es nicht ändern, dass die Tesare keine Lebensmittel mehr bringen. Und sie kann Mutter nicht ersetzen, auch wenn sie das noch so sehr versucht.
    Kayla will gar nicht, dass ihre Schwester Mutter ersetzt, denn sie will ihre Mutter nie vergessen. Sie will nicht, dass ihr Gesicht aus ihrem Gedächtnis verlischt, wie die wenigen Erinnerungen an Zara aus der Hütte verschwunden sind. Sie will nicht vergessen, wie es war von Mutter im Arm gehalten zu werden, wie ihr Haar geduftet hat – nach Frühling und Sonne. Kayla kann sich schon an Vater nicht mehr erinnern. Sie ist viel zu klein gewesen, nur vier Sommer, als er gestorben ist. Da ist nichts mehr in ihrem Kopf; nicht seine Haarfarbe, nicht sein Geruch, nicht seine Stimme. Manchmal träumt sie von ihm, aber immer ist sein Gesicht ein leerer, blasser Fleck.
    Seufzend blickt sie zu der kahlen Stelle hinüber, an der Zaras Bett gestanden hat. Sie denkt daran, wie schön es sich angefühlt hat, wenn sie nahe an Mutter gekuschelt
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