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Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus

Titel: Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus
Autoren: Stephan Peters
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und sündige! Das mit Bali hat mich nun endgültig überzeugt!“ Dann verließ sie das Büro, und Jürgen starrte auf ihren  Po wie ein Alkoholiker auf eine Flasche. Dann schaltete er den PC aus. Das Bild verschwand, und es gab nur noch einen winzigen Punkt, der vom Grau des Bildschirms rasch aufgesogen wurde. Jeden Tag hatte er Angst vor diesem Punkt gehabt. War nicht er der Punkt, der immer kleiner wurde und sich in einem grauen Umfeld auflöste? Wurde sein Leben nicht immer kleiner und unbedeutender?
    Und eines schrecklichen Tages würde sich alles im Nichts auflösen? Jürgen kannte in den letzten Jahren Sex nur noch aus dem Kino. Paare fielen auf der Leinwand wie Karnickel übereinander her und rissen sich keuchend die Sachen vom Leib. Ganz anders war Charlotte. Sie lag nachts neben ihm, fingerdick eingecremt, und selbst das konnte ihre Falten nicht verdecken. Sie ähnelte einem Käsekuchen auf bedenklicher Art und Weise. Andererseits ist nicht jede dürre Ziege ein schönes Reh. Das war das Wort zum Schlankheitswahn der Frauen. Jürgen Keller verließ das Kontor und ging nach Hause.
    »Naaa.  Wie war's im Büro? « wollte Charlotte wissen, ohne dabei von einem Artikel über Paris Hilton im Goldenen Blatt aufzublicken. Ihre Pobacken hingen wie ausgelaufene Wärmflaschen über dem Sesselrand. Selbst die Tatsache, dass Jürgen wieder rauchte, fiel ihr nicht auf. Immer, wenn er an sie dachte, fiel ihm der Grabspruch auf dem Wiener Zentralfriedhof ein: Hier ruhen meine Gebeine. Ich wünschte, es wären Deine! Jürgen sagte müde: „Nein. Es war wie immer. Aber vorhin sah ich, wie ein Einarmiger in einen Secondhand-Laden ginng“ Keine Reaktion von Charlotte, dabei hatte er mit diesem Witz schon drei Bierkneipen leer geräumt.
    Charlotte hatte sich gerade die sechste Praline mit Weinbrand zwischen die verschmierten Lippen gequetscht und trank Kakao.
    In ihren Haaren waren Lockenwickler, vor denen jeder Ausserirdische Respekt haben musste. Hat sie denn niemals das Chanson von Charles Aznavour gehört - Du lässt dich gehen? Er setzte sich neben sie, peinlich bemüht, jeden Körperkontakt mit ihr zu vermeiden. Der Fernseher lief seit Stunden, und Jürgen verfolgte Wer wird Millionär? und dachte an Bali. Nervös stellte er den Ton lauter.
    »Jürgen, denk' an die Nachbarn! Übrigens, du sollst heute noch bei Dr. Nell anrufen. «
    „Der kann warten. Habe ich dir übrigens schon die Geschichte von der Kuh und der Gemeindeschwester auf der Wiese erzählt?“ Charlotte antwortete empört:
    „Nein! Diese Geschichte will ich gewiss nicht hören!“
    Aber er war bereits auf dem Weg ins Schlafzimmer, als Trost, eine Flasche Jim Beam im Arm. Komischerweise träumte er in dieser Nacht weder von Nancy noch von Bali.
    Er träumte, er sei in einem engen Safe eingeschlossen, der so niedrig war, dass er die Knie einziehen musste. Auf einmal wurde die Tür geöffnet, und Charlotte, die acht Arme hatte und aussah wie eine alte Göttin aus Bali unter Speed, griff mit acht Händen nach ihm. Ihre Finger waren dick aufgequollen, und da platzten sie auch schon auf, und Myriaden von Maden ergossen sich in den Safe. Jede Made hatte Charlottes Gesicht. Jürgen Keller schrie wie ein Wahnsinniger und schlug sich Knie und Hände blutig. Dann quetschte sich seine Frau mit in den Safe mit hinein, so dass sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln lag. Die Tür schloss sich schmatzend.
    »Ich habe Nancy, die alte Schnalle, umgebracht«, krächzte sie, und ihr Atem roch nach altem Blut. »Und jetzt: küss sie! «
    Dann zog sie Nancys  abgeschlagenen Kopf aus der Schürze. Seine Sekretärin röchelte:
    »Hallo, Jürgen! Ich bin's! Endlich sind wir für immer vereint!“
     Der Schrei von Jürgen Keller war wirklich grauenvoll!
    Am Morgen danach fand er sich neben dem Bett wieder, die Schlafanzugjacke war zerrissen und von Angstschweiß durchnässt. Doch da kam ihm Nancy in den Sinn, die in einer Stunde ungefähr kommen und sündigen  wollte.
    Jürgen duschte sich, blickte in den Spiegel, und Albert Einstein sah ihn an, der den Rinderwahnsinn hatte. Seine Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, und die Augenhöhlen brannten wie das Olympische Feuer.
    Jürgen schrie, und griff sich ins Haar, um eine Made herauszuholen, doch es war etwas Schaum vom Shampoo. Charlotte trank unten bereits Kaffee, und er war froh, dass sie wieder zwei Arme hatte. Jürgen dachte an Marlene Dietrichs Spruch: Frauen beklagen sich immer, dass sie ihre Männer nicht ändern
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