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Terror von Rechts

Terror von Rechts

Titel: Terror von Rechts
Autoren: Patrick Gensing
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bekommen auch keine deutschen Kinder … Abtreibung, denn da werden deutsche Kinder ermordet […] das System verblödet unsere Kinder schon im Kindergarten und in der Schule […] antifamiliäre Subkulturen […] gleichgeschaltete Medien […] dem einzigen, dem deutsche Kinder im Weg stehen, das sind die Auserwählten, [Synonym für Juden verwendet, Anm. d. A.] diese ›One-World-Fetischisten‹, die uns schon so oft, zum letzten Mal am 24. 03. 33 im
Daily Express 11 ,
den Krieg erklärt haben. Letzte Bomben fielen zwar ’45, aber ihr Krieg, der geht weiter […] dieser Krieg wird für sie erst zu Ende sein, wenn der letzte Tropfen ›reinen Blutes‹ aller Völker verflossen ist. Sie die Weltherrschaft erhalten […] Augen auf, du bist im Krieg … wird es auch zu deiner Pflicht, das System hat dir den Krieg erklärt, es wird Zeit, darauf zu antworten

    Uns droht zwar keine erneute Machtübernahme der Nazis, sie sind im größten Teil Deutschlands marginalisiert und isoliert. Wer anderes behauptet, schürt Hysterie. Doch gerade ihre politische Erfolg- und Perspektivlosigkeit kann eine weitere Radikalisierung befördern – und damit die Gefahr durch Terrorismus vergrößern. Wer nichts zu sagen hat, schreit umso lauter; und wer keine politischen Einflussmöglichkeiten hat, kämpft und greift möglicherweise zur Gewalt, um die bestehenden Strukturen zu zerstören. Es war der langjährige NPD-Funktionär Jürgen Rieger, der bereits Anfang der neunziger Jahre vor laufender Kamera offen erklärt hatte, dass der Rechtsterrorismus ohne Bekennerschreiben auskommt. Auf die Frage eines NDR-Journalisten, wann denn der bewaffnete Kampf beginnen könne, antwortete der mittlerweile verstorbene Rassist: »Warten Sie es doch ab. Wenn der erste Reporter umgelegt ist, der erste Richter umgelegt ist, dann wissen Sie, es geht los. Reporter, Richter, Polizisten, Sie!«
    Die Angehörigen der NSU-Opfer hatten gegenüber den Ermittlern immer wieder den Verdacht geäußert, Neonazis könnten die Täter sein – aber eine Reaktion blieb aus. Und auch nachdem die Polizistin Michèle Kiesewetter »umgelegt« wurde, um mit Riegers Worten zu sprechen, wollte die Öffentlichkeit nichts von Rechtsterrorismus wissen. Dabei hatte sogar der damalige Leiter des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz, Helmut Roewer, umstritten wegen seiner laschen Einstellung gegenüber rechtsextremen Gefahren, in einem Vortrag am 13. März 2000 die drei untergetauchten NSU-Terroristen als Beispiele »nicht zu unterschätzender Einzeltäter und Kleinstgruppen, deren ideologischer Ansatz in erster Linie die Aktion ist« genannt.
    Nicht nur »Gigi« feierte die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds. Auch in dem neonazistischen Fanzine
Der Weisse Wolf
wurde der Kampf der Rechtsterroristen gewürdigt. »Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter …« Dieser Satz stand im Vorwort der Ausgabe 1/2002. 12
    Ein Gruß, den die Sicherheitsbehörden nicht einordnen konnten, der nicht aufgefallen war – aber heute Fragen aufwirft, die zumindest von den Verfassungsschützern, deren Aufgabe es wäre, auf solche Hinweise zu achten und herauszufinden, was dahinter steckt, nicht beantwortet werden können. In seinem Jahresbericht für 2003 hatte der Inlandsgeheimdienst von Mecklenburg-Vorpommern das Fanzine aus Neustrelitz zwar erwähnt, der Gruß machte die Verfassungsschützer aber offenkundig nicht stutzig. Wie auch? Die Abkürzung NSU für Nationalsozialistischer Untergrund sei, so teilte es Innenminister Lorenz Caffier (CDU) im März 2012 der Öffentlichkeit mit, dem Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern erst im November 2011 bekannt geworden. Das passt ins Bild: Will man keine Bekennerschreiben sehen, gibt es auch keinen Rechtsterrorismus – gibt es keinen Rechtsterrorismus, erkennt man auch keine Bekennerschreiben. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
    Nicht nur in der Neonazi-Szene, auch bei vielen Migranten in Deutschland kam die Botschaft der Rechtsterroristen jedoch an. Im Frühjahr 2006 demonstrierten rund 2 000 Menschen, überwiegend türkischstämmig, in Kassel, um auf die Mordserie aufmerksam zu machen. Sie forderten Politik und Polizei zum Handeln auf: »Kein 10. Opfer!« Vergebens. »Der Rechtsterrorismus orientiert sich nicht am Motiv der Propaganda der Tat, sondern will ein allgemeines Unsicherheitsgefühl in Teilen der Bevölkerung erzeugen«, erklärt Gideon Botsch. Diese Strategie sei bei der
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